DAILY DOPE (421)

Das Sportgerichtsurteil gegen Eisschnellläuferin Claudia Pechstein provoziert erste Reaktionen von Verbandsseite. So sagte Enrico Carpani, Sprecher des Welt-Radsportverbands UCI am Donnerstag, die UCI werde ihre Anti-Doping-Politik nicht ändern. Die UCI hat den sogenannten biologischen Pass mit Blut- und Hormon-Parametern für alle Radprofis bereits Anfang 2008 eingeführt. Bei Auffälligkeiten in den Blutprofilen ordnet der Verband herkömmliche Dopingkontrollen an. Allerdings nennt der Verband nicht die Namen der Verdächtigen, sondern vertraut auf sein Instrument der gezielten Tests. Das heißt, die UCI will dem Vorgehen des Eislauf-Weltverbands ISU nicht folgen. Die ISU hatte im Fall Pechstein den Blutparameter Retikulozyten (junge rote Blutkörperchen) zum Nachweis einer Manipulation herangezogen und damit auf die indirekte Nachweisführung gesetzt.

Prinzipiell sieht es Detlef Thieme, Leiter des Instituts für Dopinganalytik in Kreischa, als ausreichend an, allein Retikulozyten-Werte als Dopingnachweis heranzuziehen. Allerdings müssten bestimmte Kriterien erfüllt sein: So soll eine ausreichende Zahl von Proben über einen längeren Zeitraum hinweg vorliegen, woraus der individuelle durchschnittliche Retikulozyten-Wert berechnet werden kann. Zudem dürften nur validierte Messverfahren angewandt werden. Beim Transport der Proben müsse unbedingt auf Kühlung geachtet werden. Im Fall Pechstein seien alle Kriterien erfüllt worden, sagte Thieme der taz.

Der Kölner Dopinganalytiker Wilhelm Schänzer will das Urteil des Internationalen Sportgerichtshofs Cas „nicht in Frage stellen“, spricht sich aber dafür aus, mehr als nur einen Blutparameter zur Nachweisführung zu nutzen. Er als Wissenschaftler brauche weitere Sicherheit – „insbesondere bei einem Parameter wie den Retikulozyten, der solchen individuellen Schwankungen unterliegt“, sagte er der taz. In die richtige Richtung könne das Blutpassprogramm der internationalen Anti-Doping-Agentur Wada gehen, sagte Schänzer.

Dieses Programm sieht vor, neun Blutparameter zu erfassen. Im Moment werden nur Hämatokrit (der Anteil Blutzellen am Blutvolumen), Hämoglobin (roter Blutfarbstoff) und Retikulozyten erfasst und zum Teil in mathematischen Verfahren miteinander kombiniert. Ein neues statistisches Verfahren, genannt ABPS (Abnormal Blood Profile Score), das alle neun Parameter mit einbezieht, wird derzeit entwickelt. Schänzer und Thieme sind sich aber einig, dass es noch Jahre dauern wird, bis dieses Verfahren validiert ist.

MARKUS BRENNER