„Sie behaupten das für alles“

GESUNDHEIT Der Bremer Homöopathie-Kongress wurde von intensivem Streit um die Wirksamkeit der Kügelchen-Medizin begleitet. Deren Vertreterinnen legten in Bremen eine neue Meta-Studie vor

Homöopathie sei eine sich hartnäckig haltende Glaubenslehre, sagen die KritikerInnen

Anlässlich des am Wochenende zu Ende gegangenen Homöopathie-Kongresses in Bremen übt Norbert Schmacke vom Institut für Public Health und Pflegeforschung an der Bremer Universität deutliche Kritik: „Die Homöopathen versteigen sich, dass sie die einzigen sind, die Krankheiten heilen können“, sagt der Professor. „Das behaupten sie für Krebs, für Schlaganfall, eigentlich für alles.“

Ein Grund dafür, so Schmacke, seien oft enttäuschende Erfahrungen mit der Schulmedizin. Die Homöopathie werde konsultiert, immer wenn „Kranke sich nicht verstanden fühlen, in der Regel bei chronischen Erkrankungen, für die es keine Patentrezepte gibt“. Aber auch Empfehlungen von Freunden und die Angst vor Nebenwirkungen führten die Menschen in die Praxen.

Schmacke gehört zu den Unterzeichnern der „Freiburger Erklärung“. In diesem Netzwerk haben sich kürzlich Ärzte, Apotheker, Tierärzte, Biologen und andere Homöopathie-Kritiker zusammengeschlossen.

Ihre Meinung: „Trotz der Förderung durch die Politik und des Schweigens derer, die es besser wissen müssten, ist und bleibt die Homöopathie ein Verfahren, das im klaren Widerspruch zu gesicherten wissenschaftlichen Grundlagen steht.“

Homöopathie sei eine sich hartnäckig haltende Glaubenslehre, die weder als Naturheilkunde noch als Medizin anzusehen sei.

Die Wissenschaftliche Gesellschaft für Homöopathie (WissHom) hat in Bremen nun ihrerseits eine 60-seitige Untersuchung vorgelegt, die bereits vorhandene Studien bündelt. Eine zusammenfassende Betrachtung klinischer Forschungsdaten belege hinreichend einen therapeutischen Nutzen, sagte die Ärztin Michaela Geiger, zweite Vorsitzende von WissHom, auf dem Bremer Homöopathie-Kongress.

In homöopathischen Mitteln ist die Wirksubstanz so stark verdünnt, dass sie häufig nicht mehr chemisch nachweisbar ist. Warum die Präparate trotzdem wirken sollen, erklärt allerdings auch die neue Untersuchung nicht. In der Grundlagenforschung gebe es bislang keine Möglichkeit zu ergründen, wie die spezifischen Effekte zustande kommen, sagte Michael Traut (Berlin) vom WissHom-Wissenschaftsteam.

Seit 2010 widmet sich WissHom dem Nachweis der homöopathischen Wirkung. In der neuen Untersuchung wurden nach Angaben von WissHom unter anderem randomisierte kontrollierte klinische Studien, Meta-Analysen und Grundlagenforschung ausgewertet und zusammengefasst. Mehr als hundert Quellen werden darin zitiert.

Die Brutto-Umsätze für Homöopathika lagen nach Angaben der Bundes-AOK in den Jahren 2004 bis 2014 zwischen rund 30 Millionen und knapp 48 Millionen Euro, was aber in Relation zum Gesamtumsatz des Arzneimittelmarktes gesetzt werden, der im selben Zeitraum bei rund 30 Milliarden Euro lag. Zum Bremer Kongress trafen sich rund 550 ÄrztInnen. Die Übernahme der Schirmherrschaft durch Bremens Gesundheitssenatorin Eva Quante-Brandt war umstritten. taz/dpa