KUNST

KunstBrigitte Werneburgschaut sich in Berlins Galerien um

Ganz bewusst sind Neal McQueens Aufnahmen bei Hilaneh von Kories auf schlichte Papierfahnen gedruckt. Die Schwarzweißaufnahmen scheinen dadurch direkt aus der Wand heraus zu strahlten: Sie verlangen eine sorgfältige Hängung, aber keine edle Rahmung. Das Thema des deutschen Fotografen, der lange Jahre in Hamburg in der Musikbranche tätig war, sind die syrischen Flüchtlinge in den griechischen Auffanglagern in Lesbos und in Idomeni.

Sie lassen den Fotografen sehr nah an sich und damit an ihre Situation heran. Die eindrücklichen Porträts der Flüchtlinge und der Helfer bezeugen, was die Bilder vom Müllberg aus Schwimmwesten erzählen oder vom gestrandeten Schiff und der glücklichen Übergabe eines Kindes an seine Mutter, auf eine Weise, die wirklich berührt. Besonders die Kinder schauen ungewohnt ernst und sehr skeptisch in die Welt.

Neal McQueen ist ein großartiger Fotograf, versteht sich dabei aber als humanitärer Aktivist. Deshalb sind jetzt nur sechs Motive aus der Griechenlandrecherche käuflich zu erwerben. Freilich für preiswerte 400 Euro, von denen die Hälfte an die Flüchtlingsinitiative Be an Angel e. V. geht (bis 30.6., Di–Fr 14–19, Sa 12–15 Uhr, Belziger Str. 35; Freitag, 27. 6. Gespräch mit Neal McQueen und Andreas Tölke / Be an Angel e. V.).

Vom Krieg spricht auch der Schweizer Künstler Uwe Wittwer, der bei Jürg Judin seine vierte Einzelausstellung hat. Eine Regalwand voll rotgrundiger Aquarelle umfasst 94 Bilder der Serie „Im Widerschein“, in der Wittwer die fast 500 verschwundenen Gemälde des einstigen Kaiser-Friedrich-Museums (jetzt Bode-Museum) ins Gedächtnis ruft, die in einem Flakbunker in Friedrichshain ausgelagert waren, der direkt nach Kriegsende vollständig ausbrannte.

Wie bei seiner großformatigen Ölmalerei kombiniert Wittwer auch hier Versatzstücke der Vorlagen, collagiert Bildausschnitte, er übermalt die eigentliche Komposition, wobei er alle Bilder als Negative zeigt: Seine rabiaten Eingriffe versteht der Künstler als eine Art Allegorie auf die Gewaltexzesse des Krieges. Die in solchen Kontexten zerstörten, verschollenen und auch geborgenen Kunstwerke sind für Wittwer Anlass einer Aneignung, die es ihm erlaubt, konzeptuell in großen thematischen Serien zu arbeiten, dabei gleichwohl das Bild als solches zu analysieren, zu dekonstruieren und rekonstruieren, in seiner Gestik, seiner Form, seinem Motiv und seiner Farbigkeit. Hier geht er am experimentellsten und eigensinnigsten vor, und hier liegt denn auch die stärkste Verführungskraft seines Werkes (bis 18. 6., Di–Sa 11–18 Uhr, Potsdamer Str. 83).