DIE GESELLSCHAFTSKRITIK
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Das nennt man wohl „breites Grinsen“ Foto: Morris Mac Matzen/reuters

Beruf verfehlt

WAS SAGT UNS DAS? Heute kehrt Jan Böhmermann ins Fernsehen zurück

Zu Jan Böhmermann wurde schon alles gesagt? Kann man so nicht sagen. Noch immer ist nicht geklärt, welchem Beruf er nachgeht. Wenn heute sein „Neo Magazin Roy­ale“ nach einer Pause von über einem Monat wieder frisch auf Sendung geht, sollten die Zuschauer vielleicht wissen, mit wem sie es zu tun haben. Tritt da nun ein Entertainer, Comedian, Humorist oder einfach nur ein Moderator vor die Kameras, der neuerdings Witze vom Publikum für 103 (!) Euro kauft? Um die Sache zu vereinfachen: Böhmermann ist ein im journalistischen Gelände gut gesicherter Alpinist. Er besteigt Metaebenen, hüpft von einer zur anderen, sodass manchmal unklar ist, auf welcher Metaebene der Herr Böhmermann sich gerade befindet. Hm, schwierig. Er legt sich ja so ungern fest.

Kürzlich hat ihn seine Fernsehkunst auf eine hohe Metaebene geführt. Die Luft dort oben ist dünn geworden. Böhmermann hat Schnappatmung bekommen nach seinem Gipfelsturm und musste ein paar Wochen pausieren. Das war ein großer Fehler. Der Unterhaltungsprofi hätte sich nicht verstecken dürfen. Schon klar, uneigentliches Sprechen, das einen Scheiß aufs Authentische gibt, kann tückisch sein. Aber kneifen? Böhmermanns Verschwinden hat vor allem gezeigt: Er ist kein Kabarettist. Leider.

Jetzt würde der ZDF-Mann samt seiner treuen U30-Fangemeinde sicherlich sagen: Ja, Gott sei Dank! Bloß nicht so ein ulkiger Höhö-Onkel sein, mit hochtoupierten Haaren und „Mutti“-Witzchen. Und etliche Feuilletonisten würden das genauso sehen, weil sie die alte Garde der Kabarettisten nicht selten verachten. Mal sind sie zu links, mal zu rechts, mal veranstalten sie einen „Ken-Jebsen-Stammtisch“ (FR), meistens sind sie einfach nur von gestern. Kurzum: Es ist „ein Trauerspiel“ (SZ).

Andererseits: Hätte Böhmermann wie ein Kabarettist gedacht, also im besten Sinne subversiv, dann hätte er sich nicht verstecken müssen, sondern hätte sich die steife Brise um die Nase wehen lassen. Ein kabarettistisch denkender Böhmermann hätte seinen Triumph mit Verve auf der Bühne ausgekostet. Er hätte weitergestichelt und die politischen Akteure – also nicht nur Erdoğan, sondern auch Merkel – am Nasenring durch die Manege geführt. Ein Millionenpublikum wäre ihm sicher gewesen.

Warum verschwindet einer von der Bildfläche, der als Aufmerksamkeitsökonom die fetteste Rendite seiner Karriere hätte einfahren können? Weil ihm offensichtlich mulmig geworden ist, nicht nur wegen der Drohungen gegen ihn. Schwindel befiel ihn dort oben auf der hohen Metabene. Das plötzlich einsetzende „eigentliche“ Sprechen und die sehr konkreten juristischen Folgen waren nicht mehr das Ding des coolen Postideologen Böhmermann. Feiger Windbeutel, raunte manch einer der alten Kabarettschule – und hat recht damit.

Und jetzt? Nach seinem Metaebenen-Moratorium macht er weiter als fideler Hüpfer in der Fernsehnischenlandschaft. Der Rückgriff auf Altbewährtes wurde in seinem Zeit-Interview vor einer Woche wieder deutlich. Da sagte er, Kanzlerin Merkel hätte ihn zum „deutschen Ai Weiwei“ gemacht, nur um danach zu twittern: „Jetzt hält sich Böhmermann ernsthaft für Ai Weiwei. Also entweder ist der völlig verblödet oder ich!“ Das hat, mit Verlaub, etwas Fischiges: Glaubt man eben noch, das Ding fest in den Händen zu halten, schlüpft es im nächsten Moment weg. Es böhmermannt sich gewissermaßen auf eine neue Metaebene. Das ist nicht witzig. Markus Völker