LeserInnenbriefe
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Semantischer Streit

betr.: „Ohne Glyphosat geht’ s auch“, taz vom 21. 5. 16

Wieder einmal wird bewiesen, dass bei der europäischen Einigung nicht der Mensch, sondern die wirtschaftlichen Interessen großer Konzerne im Vordergrund stehen. Die Grenze zwischen „wahrscheinlich Krebs erregend“ und „wahrscheinlich nicht“ liegt doch bei 50 Prozent und wird damit zu einem semantischen Streit, bei dem der Mensch keine Rolle mehr spielt.

Glyphosat soll weiter versprüht werden mit all seinen wahrscheinlichen oder zumindest möglichen Folgen für Anwender, Verbraucher, Natur, Umwelt, Grundwasser.

Das ist nur vernünftig im Sinne einer betriebswirtschaftlichen gewinnorientierten Logik! Jede volkswirtschaftliche Einführung beginnt mit der Aussage: „Die Wirtschaft soll der Versorgung der Menschen dienen!“, doch im marktwirtschaftlichen System, egal ob mit oder ohne Zusatz sozial, müsste es eigentlich heißen: „Der Mensch, gemeint ist nur der kaufkräftige Konsument (!) dient der Wirtschaft!“ UWE SPIECKERMANN, Buchholz

Neoliberales Geplapper

betr.: „Hübsche Botschaft, harter Kern“, taz vom 20. 5. 16

In dem Artikel von Ulrike Herrmann wird der Eindruck erweckt, die Ursache für den hohen Außenhandelsüberschuss Deutschlands seien die niedrigen Lohnkosten, die aufgrund des Lohndumpings durch die „Agenda 2010“ möglich wurden. Diese Meinung erscheint plausibel, sie ist aber falsch.

Zunächst muss man sich klar machen, dass die Herstellung lohnintensiver Produkte schon vor vielen Jahren in andere Länder verlegt wurde. Heute exportiert Deutschland vor allem Kraftwagen und Kraftwagenteile, und danach in jeweils etwa gleichem Umfang chemische Erzeugnisse und elektrische Geräte in weitestem Sinne.

Bei den meisten dieser Produkte ist für die Kaufentscheidung der Preis nur ein Aspekt unter anderen Gesichtspunkten; bei technischen Produkten sind wichtig eine hohe und konstante Qualität, lange Lebensdauer, die Liefersicherheit, die technische Unterstützung und noch manche andere nicht tarifären Eigenschaften.

Um ein einfaches Beispiel zu bringen: Ein Mercedes oder BMW werden nicht gekauft, weil sie billige Autos sind.

Bei der Kostenkalkulation von technischen Verkaufsprodukten ist vor allem das Folgende zu berücksichtigen: Der Lohnanteil bei modernen Fertigungsanlagen liegt zwischen 10 und 20 Prozent. Die Höhe der Löhne spielt also bei der Preisfindung technischer Produkte nur eine untergeordnete Rolle. Im Vergleich zu Billiglohnländern werden deren geringere Stundenlöhne durch die höhere Qualifikation der deutschen Facharbeiter meist mehr als wettgemacht.

Wenn jetzt der französischen Regierung die „Agenda 2010“ als Vorbild für eine erfolgreiche Maßnahme zur Förderung des Exportanteils ihrer Volkswirtschaft eingeredet wird, so ist das neoliberales Geplapper. Es geht bei der „Agenda 2010“ zwar um die Senkung der Stückkosten; damit erhöhen sich aber zunächst einmal die Gewinne. Ob jetzt auch Preise gesenkt werden, das hängt vom speziellen Markt ab. Nur eine detaillierte Analyse der Märkte für deutsche Produkte kann aufzeigen, wo existenzielle Preiskämpfe toben.

Wenn man jedoch die Managementvergütungen und die Gewinnausschüttungen der deutschen Unternehmen unter die Lupe nimmt, dann scheint es den meisten nicht schlecht zu gehen. Insofern unterstützt die „Agenda 2010“ weniger die Preiskämpfe als die laufende enorme Umverteilung des Volksvermögens von unten nach oben. THEO TEKAAT, Mainz

Klassisches Eigentor

betr.: „Gabriel will mehr Investorenschutz in der EU“,taz vom 21. 5. 16

Sigmar Gabriel schießt mit seinen geleakten Plänen für ein innereuropäisches Sonderrecht für Großkonzerne ein klassisches Eigentor, bei dem sich leider die Frage stellt, ob der SPD-Vorsitzende überhaupt noch wirklich ernsthaft Vertrauen innerhalb der Bevölkerung zurückgewinnen will. Denn der richtige Weg hin zu einem fairen internationalen Wettbewerb mit Chancengleichheit zwischen sämtlichen Marktakteuren liegt vor allem in einem Nein zu den unsäglichen Schiedsgerichten, wie es etwa die USA und Australien in ihrem gemeinsamen Handelsabkommen vereinbart haben.

Deshalb müssen die Sozialdemokraten hier dringend umdenken, da das eigene historische Erbe einer gerechteren Welt einfach zu wertvoll ist, um es derart leichtfertig zu verspielen.

RASMUS PH. HELT, Hamburg

Der dümmste Satz

betr.: „Der stärkste Satz“, taz vom 21. 5. 16

Die Aussage „Du musst so sprechen wie Hitler …damit du als gut integriert giltst“, gehört in die Rubrik „Der dümmste Satz“. Auch wenn „nur“ die Aussprache gemeint sein mag, fühle ich mich eher beleidigt; das wird der großen Mehrheit der Deutschen alles andere als gerecht.

Es erinnert mich vielmehr an den hirnrissigen Antisemitismus vieler meist junger Leute arabischer Herkunft, der bei den Demonstrationen gegen den Gazakrieg vor zwei Jahren mit dem Skandieren nazistischer Hass- und Mordparolen gegen Juden beziehungsweise Israelis zum Ausdruck kam. So ein verfehlter Witz kann natürlich auch mal abgedruckt werden. Dass aber die Redaktion das als „stärksten Satz“ hervorgehoben hat, gibt mir zu denken. HENNING BOCK, Wolfsburg