Pokalfinale? Who cares

Gitarrenspiel Jegliche Arroganz bleibt außen vor: Doppelkonzert von Quilt und Steve Gunn in der Kantine am Berghain

Es war der perfekte Abend für leicht hypnotische Gitarrenmusik: eine laue Vorsommernacht, ein Duft nach Grillfleisch, der in der Luft lag, ein Pokalfinale, das via Smartphone verfolgt werden konnte, und ein Bier, das schaumig und nach Orange schmeckte. In der Kantine am Berghain fanden sich am Samstagabend gut informierte Menschen zum Doppelkonzert von Quilt und Steve Gunn ein. Sie haben die richtige Wahl getroffen.

Quilt ist eine vierköpfige Band aus Boston, die mit zusätzlicher Keyboarderin angereist war und einen vielstimmigen Ansatz zwischen Indie-Betulichkeit, kalifornischer Psychedelik und Paul McCartney, der Countryballaden singt, macht. Auffällig aber, dass sie in den ausufernden Stücken immer wieder Breaks einbauten, eine schummrig-melancholische Nummer, bei der man spätsommerliche Fahrradfahrten zurück vom Meer oder der Uni imaginierte, so zu einer Art Krautrockoper wie von der Band Neu verwandelten.

Der Beatles-Einfluss machte sich besonders im Gitarrenspiel von Anna Fox Rochinski und dem Gesang ihres Kollegen Shane Butler bemerkbar, ansonsten tauschten sie gern mal die Rollen. Optisch stand die Band schön aufgereiht nebeneinander, John Andrews trug Baseballcap und schlagzeugte stoisch vor sich hin, Keven Lareau am Bass trug ebenfalls eine Kopfbedeckung – nicht ganz so lustig wie John Phillips weiland von den Papas und den Mamas, aber auch diese Referenz kommt nicht von ungefähr.

Ewige Studentenband

Quilt, das ist eine dieser ewigen Studentenbands, die kaum etwas falsch machen, weil jegliche Arroganz außen vor bleibt und durch Mut zum Experiment ersetzt wird. Das neue Album heißt „Plaza“, Anspieltipps wären „Elliot St.“ und das gemächlich dahinschlendernde „Padova“, die traurige Alternative zu Wandas „Bologna“. Musik, bei der man alles, was nach 1975 erschien, rasch vergisst, es sei denn, es klingt ähnlich angenehm versponnen.

Steve Gunn machte es auch so, jedenfalls was die Gitarrenwände betraf, und doch ganz anders: Er wirkte wie der unbekannte Gitarrengott, der nach der Karriere mit der Überband hier noch sein ziseliertes Solowerk performte. Stimmt aber nicht, denn seine frühere Band hieß Violators, und die blieben im Wesentlichen genauso unbekannt wie er (Kurt Vile spielte mit, falls das wem hilft). Und wo Quilt die kalifornischen Beatles von der amerikanischen Ostküste waren (die Boston-Szene!), war er ungefähr Polvo oder Sonic Youth als Ein-Mann-Band mit dreiköpfiger Verstärkung. Schleifen, Hooks, Feedbacks. Insgesamt ähnelten sich seine Stücke eine Spur zu sehr, waren von der Anlage aber abstrakter, weniger melodiebeseelt als die von Quilt. Auf den Gesang, der tatsächlich an Thurston Moore erinnerte, kam es dabei am wenigsten an. Dafür stimmte eben die Handarbeit. Manchmal klang das sogar nach afrikanischen Einflüssen: Hi-Life.

Aber Steve Gunn hat mindestens schon zwölf Alben draußen, und viele sind in Europa bei Matador erschienen, was eine der ersten Adressen war, als Indie Rock noch eine größere Rolle spielte. Das Publikum, das den Raum in der Kantine gut ausfüllte, zeigte sich dankbar: Bei Quilt nutzten junge Paare gern das flirrende Sommergefühl zum ausführlichen innigen Knutschen, beim Brooklyn-Bewohner Steve Gunn sahen auch die älteren (Typus Hornbrille, lange, schlohweiße Haare, Baseballcap) immer mal wieder bewundernd von ihren Smart­phones auf. Pokalfinale? Who cares. René Hamann