: Dem Sozialismus ein Schloss
PANKOWVon 1966 bis 1989 diente Schloss Schönhausen als Gästehaus der DDR-Regierung. Eine Ausstellung zeigt nun, wie wenig sich der Wunsch nach Repräsentation von dem der Bundesrepublik unterschied
Von Uwe Rada
Nein, ein Aprilscherz war es nicht. Am 2. April 1977 lässt sich Erich Honecker, der Vorsitzende des Staatsrats der DDR, mit dem kubanischen Revolutionsführer Fidel Castro fotografieren. Castro im Guerilladress fläzt sich breitbeinig in einem Sessel, Zigarre im Mund, rotes Buch in den Händen, Honecker schaut ihn lächelnd (oder sogar bewundernd?) an. Für die DDR-Zensur war das zu viel. Das Foto vom Staatsbesuch des Revolutionshelden im Schloss Schönhausen blieb in den Schubladen. Veröffentlicht wurde dagegen eine harmlose Aufnahme, die beide Staatsoberhäupter beim Plausch im Haus des Zentralkomitees der SED zeigt.
Ein Revolutionsführer im Schloss: für Fidel Castro war es vielleicht eine Gaudi, andere Staatsoberhäupter aber hielten sich an die Konventionen. Samora Machel, der Präsident der Volksrepublik Mosambik, sitzt bei seinem Besuch am 3. März 1983 beinahe pennälerhaft beflissen neben Erich Honecker auf dem „Protokollsofa“.
Knapp 20 Jahre vorher prosteten sich Walter Ulbricht und Josip Broz Tito zu. Der Besuch des jugoslawischen Staatspräsidenten ist für die DDR von Bedeutung, weil Belgrad das erste blockfreie Land ist, dass die DDR 1957 als souveränen Staat anerkannt hatte.
Schloss Schönhausen, das als Schloss Niederschönhausen von 1966 bis 1989 als Gästehaus der DDR fungierte, hat also Diplomatiegeschichte geschrieben – und zugleich deutsch-deutsche Geschichte, wie die Ausstellung „Schlösser für den Staatsgast. Schönhausen und Augustusburg“ zeigt, die derzeit in Pankow zu sehen ist.
Als Fidel Castro nach seiner Ankunft auf dem Flughafen Schönefeld nach Schönhausen eskortiert wurde, säumten 132.000 Menschen die Protokollstrecke. Sie führte vom Adlergestell über die Karl-Marx-Allee zur Dimitroffstraße (heute Danziger Straße), bevor es auf der Schönhauser Allee schließlich ins einstige Domizil von Elisabeth Christine, der nach Schönhausen abgeschobenen Gattin Friedrichs II., ging.
Dass sich die DDR ausgerechnet ein Preußenschloss als Gästehaus aussuchte, erklärt Jörg Kirschstein, der Kurator der Ausstellung, mit dem Wunsch der Machthaber, die außenpolitische Isolierung zu durchbrechen. Bis zum deutsch-deutschen Grundlagenvertrag 1973 war die DDR im Zuge der Hallstein-Doktrin der Bundesrepublik nur von sozialistischen Staaten anerkannt worden. Allen anderen drohte Bonn mit dem Abbruch diplomatischer Beziehungen. Da kam ein Preußenschloss gerade recht, meint Kirschstein: „Schönhausen sollte als Prestigeprojekt der Regierung den erfolgreichen Aufbau des sozialistischen Staates widerspiegeln.“
Pieck gab den Startschuss
Seine heutige Gestalt bekam Schloss Schönhausen Anfang des 18. Jahrhunderts durch Friedrich I. Dort fanden im Jahre 1700 auch jene geheimen Treffen statt, bei denen Friedrich seine Krönung 1701 in Königsberg vorbereitete.
Bekannt wurde Schönhausen aber erst, als Elisabeth Christine in Pankow einzog. Die Gattin Friedrichs II. bekam das Schloss 1740 als Sommerresidenz und lebte dort bis zu ihrem Tode im Jahre 1797.
Zwar blieb das Pankower Schloss bis 1840 Sommersitz der königlichen Familie, danach aber verfiel es. Nach der Novemberrevolution 1918 kam es in staatlichen Besitz und diente als Depot für ausrangierte Möbel. Von 1938 bis 1941 diente es zudem als zentrales Depot der Nazis für die sogenannte Entartete Kunst.
Es war die DDR, die dem Schloss wieder neues Leben einhauchte. Zunächst als Sitz des ersten und letzten Staatspräsidenten Wilhelm Pieck. Dann als Sitz des Staatsrats und schließlich von 1966 bis 1989 als Gästehaus der DDR-Regierung. (wera)
Ein unbeschriebenes Blatt war das Schloss, das Elisabeth Christine ab 1740 hatte ausbauen lassen, für die DDR ohnehin nicht. Gleich nach der Gründung des Arbeiter-und-Bauern-Staats im Oktober 1949 hatte Wilhelm Pieck in Schönhausen seinen Amtssitz bezogen. Bis zu seinem Tode 1960 residierte Pieck, erster und letzter Staatspräsident der DDR, im ersten Stock des spätbarocken Schlosses. Sein Arbeitszimmer mit repräsentativem Schreibtisch und einer Musikanlage wurde eigens angefertigt, den „Kristall-Lüster“ lieferte das Lichthaus Mösch aus der Westberliner Tauentzienstraße, „Berlins größtes Spezialhaus für Beleuchtungskörper“.
Mit Piecks Tod verschwand auch das Amt des Präsidenten. Höchstes Amt war fortan das des Staatsrats. Bis dieser 1965 ins neu gebaute Staatsratsgebäude neben dem abgerissenen Hohenzollernschloss Unter den Linden einzog, residierte er ebenfalls in Schönhausen. Zusammen mit dem benachbarten Majakowskiring wurde „Pankow“ Synonym für die kommunistischen Machthaber der DDR.
Illustre Gästeliste
Welchen Einfluss der deutsch-deutsche Grundlagenvertrag auch auf Schloss Schönhausen hatte, zeigt ein Blick auf die Gästeliste. War in den 60er Jahren, angefangen mit dem ungarischen Präsidenten János Kádár, im Schnitt nur ein Gast pro Jahr zu verzeichnen, gaben sich die Staatsoberhäupter nach dem diplomatischen Durchbruch der DDR die Klinke in die Hand. Allein Honecker hat von 1972 bis 1989 insgesamt 120 Gäste in Schönhausen empfangen.
Aber auch als Ort der Repräsentation und der Zurschaustellung des Selbstbildes der DDR als sozialistischer Staat war Schönhausen einem grundlegenden Wandel unterworfen. Waren die Appartements für die Staatsgäste in den 60ern noch im Stil der Moderne ausgestattet, wurde das Schloss Mitte der 70er Jahre umgebaut, erinnert sich Kurator Kirschstein. „Die schlichten Möbel, die dem internationalen Niveau der 60er Jahre entsprachen, wurden entfernt und gegen Neurokoko-Möbel ausgetauscht.“
Hintergrund war die Neubewertung des preußischen Erbes, das schließlich 1987 mit der Aufstellung des Reiterdenkmals Friedrichs II. Unter den Linden seinen Höhepunkt fand. Nun durfte Schönhausen wieder sein, was es im 18. Jahrhundert war – ein Ort der preußischen Repräsentation.
Heute lieber im Hotel
„Wie sich die Staatsgäste damit fühlten, wissen wir leider nicht“, bedauert Kirschstein. In den Autobiografien der Politiker habe sich nichts zu Schönhausen gefunden. Interessant wäre es allemal gewesen, denn das Herrenschlafzimmer und das Damenschlafzimmer, die in der Ausstellung im Original zu sehen sind, werden nicht immer den Geschmack der gekrönten oder gewählten Häupter getroffen haben. Gern hätte man auch gewusst, ob sich Fidel Castro, Bruno Kreisky, Laurent Fabius oder Indira Gandhi bewusst waren, dass auch die Stasi mit im Schlafzimmer war. Freilich waren die Abhörversuche über Steckdosen oder Deckenbeleuchtung technisch ziemlich mangelhaft.
Seitdem die Mauer weg und der Kalte Krieg beendet ist, ist auch die Zeit der Schlösser vorbei. Zumindest bei Staatsbesuchen. Schönhausen in Berlin und Augustusburg bei Bonn haben ausgedient. Wenn Barack Obama oder Benjamin Netanjahu nach Berlin kommen, residieren sie in Hotels. Bis dahin aber – das zu zeigen ist das Verdienst der Ausstellung –, haben sich beide deutsche Staaten im Versuch, sich vor der Welt perfekt zu inszenieren, nur wenig unterschieden.
Nur in der Kleiderordnung setzte sich die DDR vom Westen ab. Während bei Abendveranstaltungen in Augustusburg der Frack Pflicht war, wurde der Frackzwang im Arbeiter-und-Bauern-Staat als „bourgeois“ abgeschafft. Dafür gab es bei Castros Besuch anlässlich eines „freundschaftlichen Zusammenseins“ in Schönhausen ein „buntes Programm“. Lieder wie „Kuba, wie schön ist mein Kuba“ gehörten ebenso dazu wie der Auftritt von Gisela May mit ihrem Brecht-Programm. Schade eigentlich, dass das Foto mit der Zigarre zensiert wurde.
„Schlösser für den Staatsgast. Schönhausen und Augustusburg“ ist noch bis 3. Juli im Schloss Schönhausen zu sehen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen