Besser Wessis als Tommys

Mitarbeiter der „Berliner Zeitung“ wünschen sich nordrhein-westfälische Verleger statt britischer Investoren als Eigentümer. Doch die redaktionelle Unabhängigkeit wäre in beiden Fällen gefährdet

VON SEBASTIAN SEDLMAYR

„Unser Hauptkorrektiv ist letztlich der Markt“, sagt Helmut Heinen. Aus dem Munde des Herausgebers der Kölnischen Rundschau klingt das wie das Resume einer schmerzvollen Erfahrung. 1999 musste Heinen zusehen, wie sein schwächelndes Blatt dem größeren Konkurrenten am Ort, dem Verlag M. DuMont Schauberg (MDS), einverleibt wurde. So blieb zwar der Titel der Rundschau erhalten, doch mit der Unabhängigkeit war es vorbei. Heinen gab seine Mahnung am Montag bei einer Veranstaltung der Deutschen Medienakademie und der Landeszentrale für politische Bildung im Kölner Mediapark zum besten. Er hätte vielleicht einen anderen Adressaten wählen sollen: die Mitarbeiter des Berliner Verlags.

Denn dort, am Sitz des Ostberliner Traditionshauses, zu dem Berliner Zeitung, Berliner Kurier und das Stadtmagazin Tip gehören, droht momentan ein ähnliches Schicksal. MDS hat Interesse an dem Verlag angemeldet, den der bisherige Eigentümer Holtzbrinck an die britischen Finanzinvestoren Mecom, 3i und Veronis Suhler Stevenson verkaufen möchte. Auch die WAZ ist als Käufer im Gespräch, hat aber offenbar kein ernsthaftes Angebot abgegeben. Nun scheint die Berliner Belegschaft den Zugriff aus Köln herbeizusehnen, um den Briten zu entgehen.

Der Chefredakteur des Blattes, Uwe Vorkötter, hat in einem offenen Brief vor den englischen Avancen gewarnt. Die Investoren seien ausschließlich an einer Maximierung der Rendite interessiert. Zur taz sagte Vorkötter gestern: „Bis der Vertrag unterschrieben ist, werde ich mich dafür einsetzen, dass Montgomery den Zuschlag nicht bekommt.“ Den Einstieg von MDS fürchte er dagegen nicht. „Das ist ein Verlag, von dem ich weiß, dass er mit Zeitungen auf dem deutschen Markt umgehen kann.“ Ein „Mensch mit verlegerischen Ambitionen“ sei ihm wesentlich lieber als jemand, der den Verlag „ausquetscht wie eine Zitrone“.

Dabei müsste gerade Vorkötter von seinem Vorgänger Martin E. Süskind und von seinem Kollegen Hans-Peter Buschheuer vom Berliner Kurier wissen, wie schwierig es ist, mit den verlegerischen Ambitionen eines Alfred Neven DuMont umzugehen. Der Kölner Medienmogul, der mit Kölner Stadt-Anzeiger (KStA), Kölnische Rundschau und Express ein Quasimonopol in der Domstadt unter sich weiß, ist bekannt dafür, dass er schon mal korrigierend eingreift. Süskind hat den Posten als Chefredakteur des KStA nach kurzer Zeit geräumt und ist zur Berliner Zeitung gewechselt. Buschheuer, seit Januar 2000 Chefredakteur des Express, fand nach der Bundestagswahl 2002 einen Brief von DuMont vor, in dem die Darstellung des Wahlsiegers Gerhard Schröder als zu positiv gegeißelt wurde. Ein halbes Jahr später wechselte Buschheuer dann zum Berliner Kurier. Im letzten Bundestagswahlkampf, am 25. Mai 2005, wurde die Express-Redaktion erneut vom Verleger ermahnt. Sie solle Angela Merkel nicht herabwürdigen, schrieb DuMont, nachdem das Boulevardblatt einen etwas spöttischen Beitrag über die CDU-Kanzlerkandidatin veröffenlicht hatte. Der Express druckte am Tag drauf eine Entschuldigung und rückte Merkel ins rechte Licht.

Um solchen Interventionen vorzubauen, sollen nach dem Willen der Gewerkschaft ver.di bei den Blättern des Berliner Verlags Redaktionsbeiräte installiert werden. Martin Dieckmann, medienpolitischer Referent von ver.di, sagt: „Darauf kann sich der Verleger verpflichten.“ Ob er das tut, ist eine andere Frage. Dass sich der mitteilungsfreudige 78-jährige DuMont einen Maulkorb verpassen lässt, ist kaum vorstellbar.

Während sich die Belegschaft einen Verleger vom alten Schlag wünscht, legt sich die Geschäftsführung des Berliner Verlags mächtig für das britische Konsortium ins Zeug. Von einer Mitarbeiterversammlung am Montagabend berichten Teilnehmer, Geschäftsführer Michael Grabner habe über den „ehrenwerten Verleger“ DuMont gesagt: „Es ist eben ein Unterschied, ob man angelegentlich irgendeines Treffens meint, wenn Sie mal verkaufen, denken Sie an mich, oder ob ein vierseitiges Papier mit zwei Unterschriften vorgelegt wird.“

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