heute in Bremen
: „Ausreißer filtern wir“

zählen Der Nabu ruft wieder zum Piepmätze-Erfassen in der Stunde der Gartenvögel auf

Sönke Hofmann

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45, Forstingenieur, ist Geschäftsführer des Bremer Landesverbandes vom Naturschutzbund Deutschland (Nabu)

taz: Herr Hofmann, der Nabu veranstaltet die Stunde der Gartenvögel jedes Jahr…

Sönke Hofmann: …und das seit zwölf Jahren.

Warum ist das Programm so wichtig?

Es erfüllt gleich zwei Funktionen: Einerseits ist es mit bundesweit rund 50.000 Teilnehmern das größte Citizen-Science-Projekt in Deutschland. Und natürlich werden dabei Daten gesammelt, die mit den professionellen Erhebungen abgeglichen werden, sie bestätigen und dadurch stützen können. Genauso wichtig ist aber, durch so ein Projekt Menschen an die Natur heranzuführen, sie zu ermuntern, auf eine andere Weise hinzu schauen, ob jetzt im eigenen Garten oder auf der benachbarten Grünfläche.

Dazu braucht's ein Programm?

Für manche gibt so ein Programm jedenfalls den Ausschlag. Es ist ja auch so, wenn man Jäger oder Angler fragt, warum sie das machen, ist für die meisten der wichtigste Grund, in der Natur sein zu können, draußen. Dafür brauchen sie für sich offenbar einen Vorwand. So ähnlich ist das mit der Stunde der Gartenvögel.

Und die Daten sind unwichtig?

Nein: Bestimmte Veränderungen der Population fallen dadurch schneller auf. Zum Beispiel, als es 2012 bei den Amseln eine Usutu-Epidemie gab.

Eine bitte was?

Das Usutu-Virus ist ein aus Afrika eingeschlepptes Virus, das vor allem Amseln schlecht verkraften. Dass deren Bestand abgenommen hatte, konnte man am Vergleich der Ergebnisse von Gartenvögel- und Wintervögel-Zählung klar ablesen.

Bei Amseln vertun sich die Leute auch nicht so schnell?

So fehleranfällig ist diese Zählung nicht: Die Ausreißer filtern wir. Wenn jemand 250 Blaumeisen meldet, fällt er durchs Raster.

Weil nur ein einziges Vögelchen, das aber 250mal gesichtet wurde?

Die Vermutung, dass sich da jemand direkt an einen Nistkasten gestellt hat, wo die Elterntiere ständig mit Nahrung rein und raus fliegen, liegt nahe. Deshalb führen wir auch einen zentralen Qualitäts-Check durch.

Angeblich hat man in der Stadt mittlerweile fast bessere Chancen, Vögel zu beobachten…?

Das ist so. Wobei man die absoluten Spezialisten weder in der Stadt, noch auf dem Land findet, wo wir Düngerüberschüsse und Mais-Monokulturen haben – und die optimal an Moore und nährstoffarme Gebiete angepassten Vögel und Insekten fehlen. Die sind weg. Aber ausgedehnte Sumpfflächen gibt es auch in den Städten nicht. Da kann man aber die Schönheit der vermeintlichen Allerweltsvögel bewundern, nach denen sich kein Ornithologe umdrehen würde.

Welche denn?

Zum Beispiel die Blaumeise – das ist so ein schönes Tier! Schauen Sie sich doch mal ihre Zeichnung an, und die Farben. Aber sie ist halt der zweit- oder dritthäufigste Vogel in Deutschland. Das macht ihn für wissenschaftliche Beobachter eher uninteressant.

interview: bes

Stunde der Gartenvögel: Registrierung und Teilnahmemöglichkeiten unter www.nabu.de