Wo ich einmal verloren war

Der braune Stuhl, das Regal an der Wand, die Bücher im Regal – alles meins. Das schmale Bett mit den quietschenden Federn, die vollen Kisten, der alte, verschlissene Sessel – gar nicht meins. Aus dem Gefühl von Heimat und Geborgenheit, von Wohlfühlen und Kuscheligkeit ist ein bisschen Unbehagen geworden. Und Befremdlichkeit, obwohl doch alles irgendwie vertraut ist. Ich kenne das Muster auf dem Parkett, weiß, dass das schräge Dachfenster nur schwer zu schließen ist, weiß, dass der Schlüssel aus dem Loch fällt, wenn man die Tür zu fest schließt und dass die Delle in der Wand vom Schreibtisch kommt, den ich vor Jahren ans andere Ende schieben wollte. Man hört die Kirchenglocken aus dem Nachbardorf von hier oben – und hat einen weiten Blick über Felder und Wiesen.

Wir sind eine Familie, da gehört irgendwie alles allen. Aber das hier, das war mal meins. Meins, nicht Mamas, nicht Papas, nicht Martins, nicht Benedikts. Meine Tage, meine Nächte, meine verheulten Wutanfälle, meine Bravo-Hefte, meine Take-That-Poster. Das ist noch gar nicht so lange her und doch schon eine Ewigkeit. Jetzt ist es irgendwie unser. Mamas Arbeitsunterlagen im Regal. Papas alter Sessel. Martins alte Tennisschläger in der Kiste. Benedikts alte Polizeiuniformen im Schrank.

Ich bin trotzdem noch hier, alle paar Monate. Schlafe in dem Bett, das so quietscht, wenn man sich dreht, und schaue aus dem Fenster, das man nur mit Gewalt noch auf- und zubekommt. Ich höre der Stille zu, die sich über die Wiesen legt, und denke daran, wie es früher war, als das hier noch irgendwie meins und damit Heimat war. STEFFI DOBMEIER

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