In allen Wipfeln ist Ruh

Die Werksfeuerwehr von Vattenfall und die Polizei räumen acht Besetzer aus Baumkronen bei Lakoma. Die Bäume sollen einer Entwässerungsleitung für den Braunkohletagebau weichen

VON FRIEDERIKE MEYER

Unter Lakoma liegt Braunkohle. Vattenfall will da ran. Über der Erde stehen neben den wenigen verbliebenen Häusern des Dorfes nördlich von Cottbus nur noch Bäume. Die hat der Stromriese gestern begonnen zu fällen. Sein Problem: In den Wipfeln hocken Naturschützer.

Seit fast zwei Wochen haben sich Mitglieder der Naturschutzgruppe Robin Wood in den Bäumen verschanzt. Sie sitzen rund um die Uhr auf selbstgebauten hölzernen Plattformen in den Schwarzpappeln und Eichen, die Rohren weichen sollen, mit denen der Tagebau Cottbus Nord entwässert wird.

Gestern Vormittag fuhr die Vattenfall-Werksfeuerwehr mit einem Leiterwagen in den Wald. Mit Kettensägen haben sich deren Mitarbeiter durch das Dickicht gearbeitet. Ein Sondereinsatzkommando der Polizei habe derweil versucht, die Besetzer von den Ästen herunterzubekommen, berichtet ein Robin-Wood-Aktivist.

Ein 32-jähriger, der angeseilt auf einer der Eichen in 15 Meter Höhe hockt, nennt sich Tobias. Per Handy schildert er seine Lage: „Die schneiden die Äste ab, um an unsere Plattformen ranzukommen.“ Es sei lebensgefährlich, wenn die Äste haarscharf an ihm vorbei zu Boden sausen. „Die verstoßen permanent gegen die Sicherheitsvorschriften beim Fällen von Bäumen. Das wird ein rechtliches Nachspiel haben.“ Tobias hat sich an Seilen selbst gesichert. Wenn die Feuerwehrleute näher kommen, klettere er einfach höher in die Äste.

Robin Wood forderte Vattenfall daher gestern auf, „die Baumbesetzer nicht zu gefährden, die Arbeiten in der Lakomaer Teichlandschaft sofort einzustellen“. Das Argument der Umweltschützer: Für Lakoma gelte die EU-Naturschutzrichtlinie „Flora-Fauna-Habitat“. 170 verschiedene Tierarten, darunter die seltene Rotbauchunke, seien hier beheimatet. Außerdem sei die Ausweitung des Tagebaus noch gar nicht genehmigt. Das Planfeststellungsverfahren läuft.

Vattenfall hingegen sieht sich rechtlich auf der sicheren Seite. „Wir haben die Baumbesetzer mehrmals aufgefordert, freiwillig von den Bäumen zu kommen“, sagt Firmensprecher Peter Fromm. „Wir wollen, dass die Arbeiten vorankommen.“ Die Maßnahmen würden vom Landesumweltamt „naturschutzfachlich begleitet“. Alles sei entsprechend genehmigt und fundiert, so Fromm.

„Wir haben für eine Fläche von insgesamt 1,8 Hektar eine Waldumwandlungsgenehmigung erteilt“, bestätigt der Leiter des Amtes für Forstwirtschaft in Peitz, Siegfried Lüdecke. Auch das Landesbergamt gibt Vattenfall grünes Licht. Die Arbeiten dürften auf Grundlage der bergrechtlichen Zulassung, der landschaftsschutzrechtlichen Genehmigung und der artenschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung durchgeführt werden.

Der Umweltschutzverband Grüne Liga, der mit den Baumbesetzern sympatisiert, kündigte jedoch rechtliche Schritte gegen das Landesumweltamt an. „Das hat den falschen Paragraphen angewandt und die Entwässerungsleitungen genehmigt, als wären sie gar keine wesentliche Beeinträchtigung des Landschaftsschutzgebietes“, erklärt René Schuster von der Grünen Liga. Dieses Vorgehen sei fachlich wie rechtlich unhaltbar.

Auch die Besetzer konnten sich nicht halten. Bis zum Abend hatte die Polizei alle acht Aktivisten von den Bäumen geholt, sagte Robin-Wood-Sprecherin Ute Bertrand.