: Krieg auf dem Asphalt
Rad Weil sich in den letzten Jahren Berlins Fahrradverkehr fast verdoppelt hat, verschärft sich das Klimaauf den Straßen. Vor allem in Innenstadtbezirken geschehen nahkampfähnliche Szenen. Fünf Fallbeispiele
von Malene Gürgen
Steffen Burger, Fraktionsvorsitzender der Piraten Neukölln und leidenschaftlicher Fahrradfahrer, war am Montag mit dem Fahrrad auf dem Weg nach Hause, als ihn auf der Neuköllner Straße Hasenheide ein Auto überholte – einen Fahrradstreifen gibt es hier nicht. Das Auto überholte ihn nach eigener Aussage viel zu eng, Burger rief „Hey!“, um auf sich aufmerksam zu machen. Das gefiel dem Autofahrer offenbar gar nicht: „Er hat sofort versucht, mich auszubremsen“, berichtet Burger. Bis zum Rathaus Neukölln habe ihn das Auto unter ständigem Gehupe verfolgt, dort eskalierte dann der Konflikt: „Der ist ausgestiegen und hat mir mit der Faust mehrmals ins Gesicht geschlagen“, sagt Burger, der sich im Krankenhaus die aufgeplatzte Lippe nähen lassen musste und Anzeige erstattete.
Dafür, wie sich Burger in der Situation genau verhalten hat, gibt es keine weiteren Quellen. Klar ist aber: Das enge Überholen ist ein weit verbreitetes Phänomen. „Dass der vorgeschriebene Sicherheitsabstand von 1,50 Metern eingehalten wird, ist die absolute Ausnahme“, sagt Nikolas Linck vom ADFC Berlin. Weil die Polizei keine technischen Möglichkeiten hat, den Abstand während des Überholvorgangs zu messen, werden Verstöße kaum geahndet.
Der Vorfall um Burger erregt bei Twitter viel Aufmerksamkeit, NutzerInnen berichten, dass sich das Klima zwischen Rad- und AutofahrerInnen verschärft habe. Mit Zahlen belegen lässt sich das nicht – die Polizei führt dazu keine Statistik. Unwahrscheinlich ist es aber nicht: Der Fahrradverkehr hat sich in den letzten zehn Jahren in Berlin fast verdoppelt, zudem müssen sich gerade in Innenstadtbezirken wie Kreuzberg auf den meisten wichtigsten Straßen Rad- und Autofahrer die gleiche Spur teilen: „Konflikte sind da vorprogrammiert“, sagt Linck.
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