SPD will Paragraf 103 schnell abschaffen: Weg mit der vordemokratischen Zeit
Die SPD will den Majestätsbeleidigungsparagrafen sofort streichen lassen. Er sei „nicht praktikabel und stifte eher Verwirrung“.
BERLIN AFP | Die SPD macht Tempo bei der Abschaffung des umstrittenen Strafrechtsparagrafen 103 zur Beleidigung ausländischer Staatsoberhäupter. „Die Streichung sollte sofort in Kraft treten und nicht erst 2018“, sagte SPD-Fraktionsvize Eva Högl der Düsseldorfer Rheinischen Post vom Dienstag.
Bereits am Dienstagnachmittag will die SPD-Fraktion demnach über einen Gesetzentwurf beraten, der die sofortige Streichung des Paragrafen 103 sowie des damit verknüpften Paragrafen 104a vorsieht.
„Die aus vordemokratischer Zeit stammende Regelung der Majestätsbeleidigung passt nicht mehr in unser Rechtssystem“, sagte Högl dazu weiter. Auch die Vorschrift, wonach für eine Strafverfolgung eine Ermächtigung durch die Bundesregierung erforderlich ist, sei „nicht praktikabel und stiftet eher Verwirrung“.
Hintergrund ist der Fall des Satirikers Jan Böhmermann. Dieser hatte in einem Gedicht den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan attackiert, auch unter der Gürtellinie. Erdogan beantragte daraufhin die Strafverfolgung Böhmermanns, die Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gegen den Widerstand der SPD auch billigte.
Zugleich erklärte sich Merkel zur Abschaffung des Paragrafen 103 bereit, allerdings erst ab 2018. Auch SPD-regierte Länder planen jedoch im Bundesrat einen Vorstoß, um dies zu beschleunigen.
Leser*innenkommentare
Normalo
Typische Event-Politik à la Gabriel. Ein Aufschrei ging durch die Republik, es müssen Konsequenzen gezogen werdn - und zwar gestern. Dass das ganze bis ins hinterste Anatolien nach einer "Lex Böhmermann" stinken würde, wenn man es jetzt im Hauruck-Verfahren umsetzt (ohne diesen vor Strafemittlungen wegen des Verdachts der Beleidigung zu schützen, wohlgemerkt), ist nicht das Problem des Juniorpartners der Koalition: Im Zweifel wird ja Mutti wieder einschreiten und - unpopulär - Schlimmeres verhindern. Ein hübscher kleiner PR-Coup, leider zu sichtbar ohne jede politische Substanz.
Tatsächlich geht es bei § 103 StGB nicht um reine altbackene Majestätsbeleidigung, sondern um das, was man am Fall Böhmermann wunderbar beobachten kann: Die Verhinderung außenpolitischer Turbulenzen dadurch, dass inländische Privatmenschen ohne jedes demokratische Mandat UND (was bei Böhmermann noch zu prüfen bleibt) ohne Rücksicht auf die Grenzen ihrer verfassungsmäßigen Äußerungsrechte Verbalinjurien in Richtung Ausland feuern. Dieses Schutzgut hat nichts mit der Staatsform des betroffenen Landes zu tun sondern ausschließlich mit der Empfindsamkeit seiner Amtsträger.