Sicherheitskräfte gehen gegen Gefängnisrevolte vor

SYRIEN In einer Haftanstalt in Hama wehrensich politische Häftlinge gegen ihre Verlegung

Die Gefangenen versenden Text­botschaften und Videos an Menschenrechtsgruppen

BERLIN taz | Nach dem Ausbruch einer Revolte in einem Gefängnis in der Stadt Hama haben die syrischen Sicherheitskräfte zweimal binnen 24 Stunden vergeblich versucht, die Haftanstalt zu stürmen. In dem Gefängnis sitzen etwa 800 Personen ein.

Über diese Vorfälle berichten unter anderem die in London ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte, das Syrische Netzwerk für Menschenrechte (SOHR) und die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW). Die beiden Letztgenannten geben als Quellen Insassen des Gefängnisses an, die Textbotschaften und Videos übermittelt haben. So schickte ein Gefangener am 6. Mai Aufnahmen vom Aufmarsch von Sicherheitskräften vor dem Gebäude an HRW; in einem anderen Video husten Männer oder werden ohnmächtig, vermutlich aufgrund eines Tränengasein­satzes im Gefängnis.

Den Berichten der Insassen zufolge begann der Aufstand am 1. Mai in dem Flügel des Gefängnisses, in dem Personen einsitzen, denen „Terrorismus“ oder „Handlungen gegen den Staat“ vorgeworfen werden. Unter den Insassen sind zahlreiche politische Gefangene, die ohne Anklage inhaftiert sind.

Anlass war die Absicht der Behörden, fünf Gefangene, die bereits zum Tode verurteilt wurden, in das berüchtigte Gefängnis von Sednaya zu verlegen. In der Stadt, die etwa dreißig Kilometer nördlich von Damaskus liegt, wurden laut Berichten syrischer Menschenrechtsorganisationen im Jahr 2008 vermutlich über zwanzig Insassen erschossen. Die Mehrheit der damaligen Gefangenen waren Islamisten.

Im Fall von Homs brachten die Gefangenen einen Teil der Anstalt in ihre Gewalt und nahmen sieben Wächter als Geiseln. Nachdem der erste Versuch, die Kontrolle über die Haftanstalt wieder zu übernehmen, scheiterte, kam es zu Verhandlungen. Ergebnis war die Freilassung eines Wächters und von 46 Gefangenen. Am späten Nachmittag des 6. Mai erfolgte ein zweiter Versuch der Sicherheitskräfte, das Gefängnis zu stürmen, wobei es zu dem Tränengaseinsatz kam. Dem SNHR zufolge fielen auch Schüsse in Richtung der Gebäude, in denen sich die Protestierenden aufhielten. Die Behörden stellten die Strom- und Wasserversorgung ab.

„Wir haben seit vier Tagen nichts zu essen und kein Wasser, der Geruch von Rauch und Tränengas hängt noch in unserer Zelle“, berichtet ein Gefangener gegenüber SNHR. „Wir beobachten durch die Fenster die Konzentration militärischer Gruppen, um das Gefängnis zu stürmen. Wenn niemand kommt, um uns zu retten, wird es zu einem Massaker kommen, ähnlich wie dem in Sednaya.“ B.S.