Blühende Landschaften?

Küstenschutz Die Deichamtswahlen haben begonnen. Kaum jemand weiß, was das eigentlich ist, doch die Bedeutung für die Stadt ist groß. Zwei Listen stehen zur Auswahl

Gut, dass er hält: der Osterdeich bei Hochwasser Foto: Carmen Jaspersen/dpa

von Karolina Meyer-Schilf

Etwa 550.000 Menschen in und um Bremen haben nur deshalb trockene Füße, weil die Deiche gepflegt und Gewässer geschützt werden. Dennoch halten in diesen Tagen viele irritierte BremerInnen die Briefwahlunterlagen für die Deichamtswahl in den Händen und wissen nicht so recht, was das eigentlich ist.

Die Wahlen finden alle fünf Jahre statt. Es gibt zwei Deichverbände in Bremen, einen links der Weser und einen rechts davon. Jeder Verband hat mit dem Deichamt eine Art Parlament, in dem sich BürgerInnen ehrenamtlich für den Deichschutz engagieren. Das Deichamt wählt den Vorstand, dessen Vorsitzender wiederum der Deichhauptmann ist.

Die Kernaufgabe der Deichverbände besteht im Erhalt der Deiche, Fleete und Sperrwerke, die Teil des Küstenschutzes sind. Nicht nur Hochwasser bedrohen die niedrig gelegenen Küstenregionen, sondern in den letzten Jahren zunehmend auch Starkregen: „Das wird eindeutig mehr, und zwar aufgrund des Klimawandels“, sagt Deichhauptmann Dr. Michael Schirmer, der erneut für die vom BUND unterstützte Deichschutzliste rechts der Weser kandidiert. „Wenn die Stadt vollregnet, dann müssen wir dafür sorgen, dass das Wasser über die Fleete auch wieder abfließen kann und nicht Findorff oder Schwachhausen unter Wasser setzt.“

Beim Deichschutz setzt Schirmer auf blühende Landschaften: Er plädiert dafür, die Deiche seltener zu mähen. So können sich Kräuter und Blumen entwickeln, deren Wurzelwerk für eine Festigung der Grasnarbe sorgen. Das sieht die Bürgergruppe Deichsicherheit etwas anders. Sie setzt sich für häufigeres Mähen ein, um Kosten für die Entsorgung des Grünschnittes einzusparen. Der Einsatz von Schafen ist in Bremen dagegen keine Alternative: „In so eng besiedelten Räumen geht das nicht. Da bräuchte man Zäune, und die Schafe würden von den ganzen Hunden nur verrückt gemacht“, sagt Klaus Hasler vom Deichverband auf der rechten Weserseite.

„Früher saßen die Kollegen den ganzen Tag in den Wahllokalen und keiner kam“

Rolf Brandt, Bremischer Deichverband am linken Weserufer

Finanziert wird die Arbeit über die Deichabgabe, die alle Grundstücks- und ImmobilienbesitzerInnen entrichten müssen. Diese sind damit automatisch wahlberechtigte Mitglieder des Deichverbands – auf der rechten Weserseite sind es 89.000, auf der linken etwa 30.000 Mitglieder. Da diese Abgabe über die Betriebskostenabrechnung auch auf Mieter umgelegt werden kann, die aber kein Wahlrecht haben, ergibt sich daraus eine Art Zensuswahlrecht, festgelegt im Wasserverbandsgesetz. Dass Bewohner für den Hochwasserschutz zahlen, aber kein Mitspracherecht in den Gremien haben, sieht Klaus Hasler dennoch gelassen: „Ich sehe, dass das problematisch ist, aber erstens ist das ein Bundesgesetz, an dem wir nichts ändern können. Und dann wäre es für uns auch sehr schwierig zu ermitteln, welcher Mieter wo wohnt und wer jetzt wirklich wahlberechtigt ist.“

Um wahlberechtigt zu sein und sich ins Deichamt wählen zu lassen, muss man im Übrigen kein Bremer sein: Theoretisch könnte sich auch ein Bayer ins Bremer Deichamt wählen lassen, sofern er über Grund- oder Immobilienbesitz vor Ort verfügt.

Seit vor über 25 Jahren auf Briefwahl umgestellt wurde, ist immerhin die Wahlbeteiligung deutlich gestiegen: Sie lag in den letzten Jahrzehnten recht konstant bei 30 Prozent, wie Rolf Brandt vom Bremischen Deichverband am linken Weserufer erklärt. „Früher saßen die Kollegen den ganzen Tag in den Wahllokalen und keiner kam. Das ist heute viel besser.“