„Das verbuche ich unter Heimtücke“

taz-Interview mit Paul Schäfer, Bundestagsabgeordneter und NRW-Landesvorsitzender der Linkspartei.PDS, über das Scheitern von Parteichef Lothar Bisky, Abstrafaktionen, Büromangel und die landespolitische Zukunft der Sozialisten

taz: Ihr Kandidat Lothar Bisky ist bei der Wahl zum Bundestagsvizepräsidenten dreimal durchgefallen. Warum?Paul Schäfer: Leider haben sich nicht wenige Kolleginnen und Kollegen aus den großen Fraktionen von ihrem Frust über das Wahlergebnis leiten lassen. Sie sollten realisieren, dass die demokratische Linke nun eine starke Fraktion stellt und nicht länger diskriminiert werden kann.

War das der einzige Grund?Einige Mitglieder des Hohen Hauses wollten die Linke wieder einmal abstrafen – wegen der DDR-Vergangenheit. Diese Auseinandersetzung scheuen wir nicht. Aber bitte nicht auf dem Rücken eines untadeligen Menschen wie Lothar Bisky.

Gab es vorher Anzeichen, dass die anderen Fraktionen ihn nicht mitragen wollen?Überhaupt keine. Das verbuche ich unter Heimtücke und Feigheit. Denn es wäre ja durchaus möglich gewesen, Fragen nach der Vergangenheit von Bisky zu stellen, die im Vorfeld hätten beantwortet werden können [Laut eigener Aussage hat PDS-Chef Lothar Bisky vor 1989 als Rektor der Potsdamer Hochschule für Film und Fernsehen Kontakte zum DDR-Ministerium für Staatssicherheit gehabt. Aber Menschen bespitzelt und verraten habe er nie. Anm. d. Red.].

Halten Sie jetzt an Lothar Bisky fest? Oder muss er sich zurückziehen?Nach der Heckenschützenaktion sind wir wild entschlossen, an Lothar Bisky festzuhalten. Es ist auch einfach inakzeptabel, den Stab über einen Menschen zu brechen, der sich – bis zum Beweis des Gegenteils – nichts hat zuschulden kommen lassen. Darüber sollten sich die Nein-Sager jetzt schleunigst informieren, statt alten Vorurteilen nachzugeben.

Sie haben immer noch kein Büro im Bundestag. Fühlen Sie sich gut aufgenommen?Nun ja. Mit einer gewissen Übergangssituation muss man eben fertig werden. Ich hoffe, dass wir bis Ende nächster Woche die volle Arbeitsfähigkeit erreicht haben.

Wie ist denn der Kontakt zu Abgeordneten anderer Fraktionen im Bundestag?Abgeordnete anderer Fraktionen, die mir aus meiner Zeit als Fraktionsreferent bekannt sind, begegneten mir höflich bis freundschaftlich. Überhaupt war die Stimmung unter den Abgeordneten bis zum Eklat der Nichtwahl relativ entspannt und kollegial. Umso bitterer, dass dieser schofelige Affront erst einmal das Klima vergiftet hat.

Wie sieht es mit der landespolitischen Kompetenz der Linkspartei.PDS in Nordrhein-Westfalen aus? Wie wollen Sie das Ziel angehen, auch in Düsseldorf Politik zu machen?Wir werden jetzt sehr schnell beraten, wie wir über die Landesgruppe NRW im Bundestag unsere landespolitische Kompetenz systematisch ausbauen werden. Wir haben uns hier eine Menge vorgenommen. Lassen Sie uns aber bitte ein paar Tage Zeit.

Aber Sie haben das Ziel, 2010 in den Landtag einzuziehen?Die Landtagswahl 2010 haben wir fest im Blick, davon können Sie ausgehen.

INTERVIEW: MARTIN TEIGELER

brennpunkt SEITE 3

Fotohinweis: PAUL SCHÄFER, 56, Ex-DKP und SPD-Mitglied, seit 2003 PDS-NRW-Chef