Sicherheitszonen statt Waffenruhe

SYRIEN Die USA und Russland verhandeln nur noch über einen Plan B für die Stadt Aleppo

GENF taz | Nach offizieller Darstellung von US-Außenminister John Kerry bemüht sich die US-Regierung im „intensiven Gespräch“ mit der russischen Regierung um „die Wiederherstellung der Waffenruhe in der gesamten Stadt und Provinz Aleppo“. Verhandelt wird zwischen Washington und Moskau nach übereinstimmender Darstellung von Diplomaten beider Großmächte aber nur noch über eine zweitbeste Lösung: die Einrichtung von Sicherheitszonen für „bedrohte Zivilisten“ und für „moderate Rebellengruppen“. Diese Zonen sollen dann von allen anderen Kriegsakteuren respektiert und nicht mehr beschossen werden.

Das impliziert, dass der Krieg außerhalb dieser Zonen fortgesetzt wird. Sind Russland und die USA nicht willens oder nicht in der Lage, ihre jeweiligen re­gio­nalen und innersyrischen Verbündeten zu einer vollständigen Waffenruhe für ganz Aleppo zu bewegen?

Diese Frage richtet sich nicht nur an die Regierung Putin, die seit Mitte April mit der Verlagerung schwerer Artillerie in die Umgebung von Aleppo den Verdacht erweckt hat, sie wolle die in regierungsnahen syrischen Medien offen angekündigte „Großoffensive“ der syrischen Streitkräfte zur Rückeroberung von ganz Aleppo militärisch unterstützen. Die Frage richtet sich auch an die Obama-Regierung. Kerry räumte am Montag in Genf ein, dass nicht nur die syrischen Regierungsstreitkräfte, sondern auch Oppositionsmilizen zum Zusammenbruch der Waffenruhe beigetragen hätten.

Ob das Konzept der „Sicherheitszonen“ funktionieren würde, ist höchst fraglich. Werden Zivilisten in diese Zonen umziehen, solange diese nicht glaubwürdig geschützt sind? Die Verhängung von Flugverboten im Luftraum über diesen „Sicherheitszonen“ schloss Kerry in Genf bereits kategorisch aus.

Werden sich die „moderaten Rebellengruppen“ in die Sicherheitszonen begeben und damit ihre derzeit noch besetzten militärischen Positionen und die von ihnen kontrollierten Stadtteile und Regionen ihren jeweiligen Gegnern überlassen? Und wer sind die „moderaten Rebellengruppen“?

Nach Kerrys Definition sind das die 97 bewaffneten Gruppen, die Ende Februar ebenso wie die syrische Regierung der „landesweiten Waffenruhe“ zugestimmt hatten. Darunter befinden sich auch die „Armee des Islam“ ,die „Islamische Bewegung der freien Männer der Levante“ sowie andere islamistische Gruppen, die wegen ihrer engen Verbindung zur Al-Nusra- Front, dem syrischen Al-Qaida-Ableger, von Russland als „Terroristen“ betrachtet und bekämpft werden.

Sehr unwahrscheinlich ist zudem, dass die Al-Nusra-Front und der „Islamische Staat“ Sicherheitszonen, an deren Vereinbarung sie nicht beteiligt waren, respektieren würden.

Andreas Zumach