Nachruf
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Erster erschossener deutscher Wolf: MT6 „Kurti“ Foto: dpa

Zu nah am Menschen

Er hatte nur ein kurzes, dafür aber womöglich erfülltes Leben. Kaum zwei Jahre alt, wurde der von seinen immer zahlreicheren Fans „Kurti“ genannte auffällige Wolf aus Niedersachsen am Mittwochabend von einem Polizisten abgeschossen. Beziehungsweise, wie das Landesumweltministerium sich ausdrückte, zwecks Gefahrenabwehr der Natur „letal entnommen“. Zum ersten Mal seit der Rückkehr der streng geschützten Raubtiere nach Deutschland wurde damit ein Wolf in staatlichem Auftrag erlegt.

Der 2014 als eines von sechs Geschwistern auf dem Truppenübungsplatz Munster in der Lüneburger Heide geborene „Kurti“ beschäftigte durch sein artuntypisches Verfahren seit Monaten die Öffentlichkeit. Mehrmals näherte er sich Menschen bis auf wenige Meter. Im Februar lief er einer Spaziergängerin mit Kinderwagen und Hund hinterher. Am Sonntag soll er den angeleinten Hund einer Familie gebissen haben, am Montag erneut Spaziergängern nachgelaufen sein.

Weil er 2015 ein Sendehalsband umgelegt bekam, ließ sich der Aktionsradius des seitdem offiziell MT6 geheißenen Wolfes recht gut verfolgen. Dabei blieb aber unklar, ob er bei seinen Annäherungsversuchen an Menschen und Hunde nur mal spielen wollte oder ob tatsächlich eine Gefahr bestand.

Im März ließ das Umweltministerium in Hannover einen Wolfsexperten aus Schweden einfliegen, der „Kurti“ durch Geschrei, andere Geräusche und Gummigeschosse die Flausen austreiben sollte. Die Vergrämungsaktion blieb ohne Erfolg.

Nach den jüngsten Eskapaden eröffnete das Ministerium am Montag die Jagd auf „Kurti“. Die dabei zunächst verfolgte Idee, „Kurti“ einzufangen und in einen Wildpark zu transportieren, wurde schnell verworfen, weil auch Umweltschützer die Gehegeunterbringung eines wilden Wolfes als Tierquälerei werteten. Seit Mittwoch hieß die Devise dann „letale Entnahme“.

Ungeklärt bleiben die Gründe für „Kurtis“ auffälliges Verhalten. Als wahrscheinlich gilt, dass er auf dem Übungsgelände schon in seiner Jugend in enge Berührung mit Menschen kam. Ob Spaziergänger oder Soldaten ihn womöglich sogar angefüttert haben, bleibt Spekulation. Reimar Paul