heute in hamburg
: "Inmitten des Landes"

PROTEST Naturschutzbund und Bürgerinitiative tun sich gegen eine Flüchtlingsunterkunft zusammen

Reinhard Grosch

Foto: privat

71, ist Lehrer im Ruhestand. Beim Naturschutzbund war er langjährig Gruppenleiter, zurzeit ist er Aktivist.

taz: Herr Grosch, was machen Sie heute in Bergedorf?

Reinhard Grosch: Wir beerdigen zuerst, symbolisch, die gefährdeten Tiere und Pflanzen, die sich in dem Gebiet befinden und geschützt bis streng geschützt sind. Es geht unter anderem um Kartäusernelken, Hasenglöckchen, Kammmolche, Moorfrösche und die Waldeidechse. Anschließend führen wir einen Leichenschmaus durch, wie bei einer echten Beerdigung.

Warum protestieren Sie?

Weil diese Tiere und Pflanzen wegen des geplanten Baus einer Flüchtlingsunterkunft gefährdet sind. Der Senat, beziehungsweise der Bezirk, nimmt keine Rücksicht auf die ökologische Bedeutung des Gebiets und beachtet aus unserer Sicht das Naturschutzrecht nicht. Mit dem Beginn der Bauarbeiten ist der ökologischen Vielfalt des Areals schon geschadet worden.

Wenn diese Fläche Heimat von selten und geschützten Tier- und Pflanzenarten ist, wieso ist sie kein Naturschutzgebiet?

Nicht jede Fläche, auf der geschützte Tiere und Pflanzen vorkommen, wird leider als Naturschutzgebiet ausgewiesen.

Was für eine Lösung würden Sie für die Flüchtlingsunterkunft vorschlagen?

Von Anfang an haben wir gesagt: Das ist ein gesellschaftspolitisches Problem. Es gibt schon Flüchtlinge in der Gegend, die da untergebracht wurden. Mit denen, die noch kommen, werden es ungefähr 4.000 Menschen sein. Das ist einfach ein Ungleichgewicht für ein abgeschlossenes Gebiet. Es gab auch schon Vorschläge, zum Beispiel von der CDU hier in Bergedorf, mehrere kleinere Flächen zu nutzen, die ökologisch nicht so einen hohen Wert haben. Man würde so auch das Problem der Ghettoisierung vermeiden.

Ist der Naturschutz denn wichtiger als Menschenrechte?

Ich finde, diese Verknüpfung verbietet sich eigentlich. Es geht nicht darum, Menschenrechte nicht zu berücksichtigen, sondern einfach darum, mehrere, andere Flächen auszusuchen – auch mit einer besseren Anbindung und Infrastruktur. Die Leute sind hier wirklich weit entfernt von der Stadt.

Gibt es dann gar keinen Konflikt?

In diesem speziellen Fall schon. Er besteht darin, wie und wo man solche Gebäude baut. Aber Menschenrechte und Naturschutz schließen sich generell nicht aus. Interview: ANNA DOTTI

Protestaktion von Naturschutzbund Bergedorf und Bürgerinitiative Integration Ja, Ghetto Nein, 15.30 Uhr, Kulturheim „Kuller“, Mittlerer Landweg 78