Ein teures Abenteuer

Atom II Wie weit die Gelder im neuen Staatsfonds für den AKW-Müll reichen werden, steht in den Sternen

FREIBURG taz | 40,1 Milliarden Euro: So viel hatten die Atomkonzerne in Deutschland zum letzten Bilanzstichtag Ende 2015 für den Abriss ihrer Reaktoren und die Entsorgung des Atommülls zurückgestellt.

Nun sind die Rückstellungen aber kein Geld auf dem Konto, sondern nur eine Art vorweg verbuchter Rechnung. Sie sind folglich nur durch den Besitz des Unternehmens – etwa an Kraftwerken – werthaltig. Das heißt: Geht die Atomfirma in Konkurs, ist das Geld weg, das für die Verwahrung der Altlasten eingeplant ist. Deshalb sollen die Konzerne nun 23,34 Milliarden Euro in einen staatlichen Fonds überweisen. Die Summe ergibt sich aus dem Anteil der Rückstellungen, die für den Atommüll gebildet wurden, zuzüglich eines Risikoaufschlags von 6,14 Milliarden Euro.

Allerdings: Damit kaufen sich die Konzerne von den absehbar steigenden Kosten der Atommüllverwahrung frei. Nur für den Rückbau der Reaktoren sollen die Betreiber noch selbst aufkommen. Wirtschaftsprüfer hatten 2015 in einem Gutachten („Stresstest“) im Auftrag des Wirtschaftsministeriums deutlich machen wollen, dass die zurückgestellten Beträge auch langfristig ausreichen. Dabei zeichnete sich aber ab, dass alle Annahmen sehr spekulativ sind: Niemand weiß ja, wie stark die Preise im Nuklearsektor steigen werden.

Zudem geht die Rechnung nur auf, wenn die Beträge, die nun in einen staatlichen Fonds fließen, einigermaßen verzinst werden – was angesichts der Zinspolitik der EZB unrealistisch erscheint.

Am Ende muss wohl der Steuerzahler für die strahlenden Altlasten aufkommen. Zumal Preissteigerungen bei Großprojekten an der Tagesordnung sind. Die Kosten der beiden europäischen Reaktorbaustellen Flamanville (Frankreich) und Olkiluoto (Finnland) haben sich in nur wenigen Jahren verdreifacht.

Egal ob man den Kanaltunnel, die Elbphilharmonie, den Berliner Hauptbahnhof oder Flughafen nimmt: Stets lagen die Kosten deutlich über den Kalkulationen, mitunter zehnfach. Schwer zu glauben, dass das bei der Atommülllagerung anders sein sollte – zumal sie das langfristigste Projekt ist, dass es je in der Geschichte zu finanzieren galt. Mit der absehbaren Staatshaftung für sein Atomabenteuer steht Deutschland nicht alleine. In der Schweiz, in Schweden und Finnland sind die Fonds ebenfalls „deutlich unterfinanziert“, analysierte schon 2014 das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft. Auch dort geht man wohl davon aus, dass am Ende der Staat einspringt.

Bernward Janzing