Radikale Blicke
: Träumen an Himmelfahrt

Hamburger Kunsträume

von Hajo Schiff

Der Maifeiertag fällt diesmal aus, aber am Donnerstag gibt’s ja wieder einen freien Tag: Himmelfahrt. Da die meisten vergessen haben, wer oder was da in den Himmel fährt, wurde der Tag der Engel und der Flugzeuge einfach zum Vatertag umdeklariert und zur feuchtfröhlichen Fahrt ins Grüne genutzt.

Und was machen die Frauen? Die machen ein Symposion zum Feminismus und performen im Stadtraum. Künstlerinnen aus Bogota und Berlin, Südamerika und Südafrika sorgen von 12 bis 18 Uhr zwischen Rathausmarkt und Jungfernstieg für Verwunderung. Freitag und Samstag wird es dann in der Hochschule für bildende Künste theoretisch: Dozentinnen und Dozenten aus aller Welt sprechen über gesellschaftliche Transformationsprozesse, Kulturdifferenzen und männlich-westliche Dominanz über „den Süden“ und „den Osten“.

Ein Glossar zum urbanen Raum aus queer-feministischer Perspektive soll entworfen werden und Manifeste urbaner LGTBQIA-Citizenship of Color werden performativ vorgetragen. Das von der Hamburger Stadtkuratorin Sophie Goltz intendierte Festival unter dem von der US-amerikanischen Bürgerrechtsaktivistin, Philosophin und Feministin Grace Lee Boggs (1915–2015) entliehenen Titel „What Time Is It on the Clock of the World*“ sorgt sich um Sexismus und Rassismus, Migration und Geschlechterrollen und lotet aus, wie in Kunst und öffentlichem Raum neue Ansätze zu finden wären (www.stadtkuratorin-hamburg.de).

Wer die Großstadt mit ihren Subkulturen, Verheißungen und Gefahren lieber in aller Ruhe im Bild betrachten will, kann am Mittwochabend zur Eröffnung ins „Haus der Photographie“ der Deichtorhallen gehen. In den drei fotografischen Positionen von Ken Schles, Jeffrey Silverthorne und Miron Zownir wird „mit der Kraft des radikalen Blicks die Wirklichkeit in unser Bewusstsein zurückkatapultiert und damit wieder Teil unserer Existenz“, versichert Kurator Ingo Taubhorn. Für Lebensfragen nach Identität, Geschlecht, Liebe, Gewalt, Sexualität und Tod, die Darstellung von Außenseitern und Nachtseiten der Glücksversprechen der Metropolen ist vor allem New York Beispiel (www.deichtorhallen.de). Himmelfahrtsträume gibt’s eben erst am Donnerstag.