gastkommentar
: Diener des Kapitals

Welche Zukunft hat der DGB? Keine, meint der Bremer Ex-Gewerkschafter Herbert Thomsen

Foto: Bremer Erwerbslosenforum

Die DGB-Gewerkschaften sind von den Spitzen herunter bis zu den hauptamtlichen Funktionären mit der herrschenden kapitalistischen Ordnung verbunden. Die Anfänge dieser Entwicklung liegen im Kaiserreich, als die Mehrheits-Sozialdemokratie der Kriegsführung zustimmte. Damit war die Einfügung der Sozialdemokratie und der ihr zugehörigen Gewerkschaftsführungen in das imperiale System vollzogen.

Gut sichtbar wird die Interessenübereinstimmung bei der personellen Verflechtung von Gewerkschaften mit den Unternehmen und mit dem Staatsapparat: Der Aufstieg vom Betriebsrat oder bezahlten Funktionär in Leitungsfunktionen bei Unternehmen und Staatsbürokratie ist ein normaler Karriereschritt im Leben eines DGB-Funktionärs geworden. Beim Aufstieg bedarf es keines individuellen Sinneswandels oder gar eines Aktes des Verrats. Bereits in den Funktionen als Betriebsrat oder Gewerkschaftsfunktionär wird der Einsatz für Unternehmen und Staat praktiziert.

Die Spitzen der DGB-Gewerkschaften und Betriebsräte sitzen mit circa 3.000 Funktionären in den Aufsichtsräten der Großkonzerne und entwickeln dort gemeinsam mit den Vertretern der Aktionäre die Weltmarktstrategien der jeweiligen Unternehmen und die Einbindung der „Arbeitskräfte“ in die Konzernstrategien.

Mit ihrer Zustimmung zu den „Hartz-Reformen“, der Agenda 2010, dem Umbau der staatlichen Sicherungssysteme, dem Abschluss von Tarifverträgen in der Leiharbeit unterhalb der gesetzlichen Vorgabe des gleichen Lohns, durch die Zustimmung zu immer weitergehenden Flexibilisierungsmaßnahmen und Ausweitung der Schichtarbeit bedienen sie Kapitalinteressen.

Der Anteil der Arbeitenden am „Volkseinkommen“ ist in keinem europäischen Land so stark gesunken, die Zunahme des Niedriglohnsektors nirgendwo so stark gestiegen wie in Deutschland. Die Lohnstückkosten liegen unter dem europäischen Durchschnitt. Gewerkschaften, die dem keinerlei Widerstand entgegenbringen und diesen Umbau tarifvertraglich absichern, leisten Beihilfe.

Die IG Metall fordert mehr Rüstungsproduktion, weniger Exportbeschränkungen für Rüstungsgüter, organisiert auch schon mal Demonstrationen, wenn die Bundesregierung zu laut über die Einsparung bei der Forschung militärischer Drohnen nachdenkt. ­Ver.di und die IG Bergbau, Chemie und Energie streiten für Braunkohletagebaue und Verbrennung von fossilen Brennstoffen. Zugunsten der Profite der vier großen deutschen Energiekonzerne stellen sie auf Kundgebungen das Fußvolk zur Blockade einer Energiewende.

Zahlreiche „Tarifkämpfe“ werden von den Gewerkschaften nicht geführt, um die Lebenssituation der Lohnarbeitenden nachhaltig zu verbessern, sondern um die Rolle einer DGB-Gewerkschaft als Sozialpartner mittels Abschluss eines Tarifvertrages durchzusetzen. Vielfach sind solche Streiks auch ziemlich durchsichtig als Kampagnen zur Mitgliedergewinnung zu erkennen.

Damit die Institution „DGB-Gewerkschaften“ nicht von den Lohnarbeitenden eines Tages durch widerstandswillige Organisationen ersetzt wird, haben Staat, Unternehmerverbände und die Mehrheit der DGB-Gewerkschaften das „Tarifeinheitsgesetz“ erfunden. Damit soll das Verzichtsmonopol der DGB Gewerkschaften gegen unliebsame Konkurrenz abgesichert werden.

Die DGB-Gewerkschaften haben in den letzten 25 Jahren die Hälfte ihrer Mitglieder verloren. Sie organisieren heute vornehmlich die Stammbelegschaften der Großbetriebe der Chemie- und Metallindustrie sowie beim Staat und damit überwiegend eine neue Schicht der „Arbeiteraristokratie“, die im Verhältnis zum Rest der Klasse materiell besser gestellt ist und zunehmend Leitungs- und Hie­rarchiefunktionen einnimmt. Sie sind zentralistische Organisationen, deren Politik in den geschäftsführenden Hauptvorständen gemacht wird.

Die Mitglieder sind weitgehend auf den Status eines zahlenden Kunden einer Arbeitsrechtsversicherung reduziert. Ehrenamtliche Strukturen sind in Schrumpfung oder Auflösung begriffen. Bei Warnstreiks werden zum Handeln bereite Mitglieder zu Befehlsempfängerinnen der von oben eingesetzten Streikleitungen degradiert.

Herbert Thomsen

62, Ex-DKPler, war zehn Jahre IG-Metall-Aktivist und -Funktionär auf einer Bremer Großwerft. Er ist Mitbegründer des Bremer Erwerbslosenforums und Mitglied bei „Industrial Workers of the Wold“, Ortsgruppe Bremen.

In den Betrieben leisten viele KollegInnen trotzdem einen großen Einsatz für ihre KollegInnen. Vielfach sind es Kolle­gInnen, die sich als Linke verstehen und in dem Glauben sind, nur mit einer organisatorisch einheitlichen Gewerkschaft könne dem Unternehmen Widerstand entgegengesetzt werden. Ein Irrtum.

Bei den letzten Landtagswahlen erhielten rechte Parteien wie die AfD und andere einen höheren Stimmanteil von Gewerkschaftsmitgliedern als im Durchschnitt aller Wählenden. Insbesondere jüngere Gewerkschaftsmitglieder wählen überproportional rechts. Die Legende vom fortschrittlichen DGB, der linke kapitalkritische Positionen verbreitet und dafür kämpft, ist nicht haltbar.

Eine Zukunft als Vertretung der originären Interessen der Lohnabhängigen in Deutschland hat der DGB aufgegeben. Er wird von Staat und Unternehmen benötigt und nimmt seine integrative Rolle als Personalabteilung am Standort Deutschland wahr. Mehr nicht.