„Jetzt aber soll es aufwärts-gehen“

Das bleibt von der Woche Die zweitgrößte Fluggesellschaft Deutschlands fährt einen Rekordverlust ein, die Springer-Presse gräbt einen feuchtfröhlichen rassistischen Herrenabend junger CDUler aus, eine Studie unter SchülerInnen zeigt, dass Kiffen cool ist, es aber nur wenige praktizieren, und das White Trash ist geplant in Isolvenz gegangen

Air Berlinwill durchstarten– mal wieder

Flughafenverliererin

Billigeres Kerosin ist die neue Hoffnung des einstigen ­Billigfliegers

Sie ist eine der Verliererinnen im Trauerspiel um den Berlin-Brandenburger Großflughafen in Schönefeld: die Fluggesellschaft Air Berlin. Wollte sie doch den neuen Flughafen zu ihrem Drehkreuz machen. Daraus wurde und wurde und wurde nichts – ein Grund, warum die Fluggesellschaft so tief in den Miesen steckt.

In den letzten acht Jahren machte die Firma nur einmal keine Verluste. Im vergangenen Jahr flog sie ein Minus von rund 447 Millionen Euro ein, rund 70 Millionen mehr als im Jahr 2014.

Jetzt aber soll es aufwärtsgehen, versprach Stefan Pichler, seit einem Jahr Chef des Unternehmens, am Donnerstag. Worauf er seine Hoffnung setzt? Eine schnelle Inbetriebnahme des neuen Flughafens ist es jedenfalls nicht. Pichler will nun endlich von den gesunkenen Kerosinpreisen profitieren. Das war bislang aufgrund langfristiger Lieferverträge nicht möglich, mit denen sich die Fluggesellschaft eigentlich gegen das Steigen der Treibstoffpreise absichern wollte – es kam bekanntlich anders. Außerdem möchte Pichler nun nicht weiter das Angebot reduzieren, um Kosten zu senken, sondern gezielt das lukrative Geschäft mit Geschäftsreisenden ausbauen, insbesondere auf der Langstrecke. Damit will Pichler das Image als Billigflieger endgültig loswerden.

Bislang ist es aber so: So wie Berlin, das sich hipper und weltoffener als alle anderen Städte Deutschlands fühlt, ohne Subventionen von anderen nicht leben könnte (und trotzdem den Alltag oft nicht geregelt kriegt), so wird auch Air Berlin von anderen gehätschelt – nämlich von der staatlichen Fluggesellschaft Etihad aus Abu Dhabi am Persischen Golf. Warum die Araber das tun? Geld haben sie dank des Erdöls genug. Aber wenn das Öl alle ist, brauchen sie neue Geschäftsfelder: zum Beispiel auf dem europäischen Luftverkehrsmarkt. Richard Rother

Früher war nicht alles schlecht

Nazis in der CDU

Die CDUler bemühten sich um Strafe, traten aus der Partei aus – und wieder ein

Wer schon immer gerätselt hat, was junge Menschen in die Junge Union (JU), der Nachwuchsorganisation der CDU, treibt, bekam diese Woche die bildgewaltige Antwort: Die gleichnamige Boulevardzeitung und ihr Schwesterblatt BZ zeigten am Mittwoch Fotos aus einem Video mit mehreren Jung-CDUlern bei einem feuchtfröhlichen rassistischen Herrenabend in Riga, daneben NS-Devotionalien. Auf der Titelseite der BZ stand: „Die Nazi-Party der CDU-Jungstars“. So feiern also Button-Down-Hemden tragende Jungmänner, deren Habitus verrät, dass sie sich nichts sehnlicher wünschen, als möglichst bald alt und grau und arriviert zu sein, um so endlich der guten alten Zeit hinterhertrauern können.

Rätselhaft aber bleibt, warum die beiden Springer-Blätter, rechtskonservativem Gedankengut sowie junger und alter Union gegenüber durchaus aufgeschlossen, diese Story brachten: Das Video stammt aus dem Jahr 2005, und schon 2008 war darüber berichtet worden. Die Folge damals: Die in dem Video zu sehenden CDUler bemühten sich nach einem ordentlichen Anschiss aus der Partei eilig um Strafe, redeten von dummen Fehlern, traten aus der Partei aus – um einige Jahre später wieder einzutreten.

Sie büßten erfolgreich: Heute sind mehrere der im Film vorkommenden Herren im CDU-Establishment angekommen. Einer sitzt im Abgeordnetenhaus, ein anderer will rein, ein dritter ist JU-Chef. Und alle betonten diese Woche erneut, wie falsch das damals – also 2005 – doch alles war. Mit der Folge, dass die Geschichte verpuffte: Andere Zeitungen berichteten nur mehr pflichtschuldig darüber, die politische Konkurrenz hielt sich zurück mit Kommentaren. Was auch zu erwarten war.

So ist die Story über die einst besoffenen NS-Fans in der JU viel mehr eine Geschichte über die beiden Springer-Blätter und die Autorin des Stück. Sie wollten sich bei der Kernklientel im aufkommenden Wahlkampf offenbar mal wieder ins Gedächtnis rufen. Und haben mit der Nazi-Story (der eindeutig der Sex fehlte. Und wo war Blondi?) doch nur gezeigt, dass auch sie sich vor allem nach der guten alten Zeit sehnen. Bert Schulz

Lieber nicht zu locker machen

Schüler und Drogen

Die Ergebnisse der Studie sind ein Argument für Gegner der Cannabis-Freigabe

Schüler finden Kiffen zwar cool, aber eine Rolle in ihrem (Party-)Alltag spielt Cannabis kaum. Denn eine Anfang der Woche publik gewordene Studie mit 1.400 SchülerInnen in den Bezirken Friedrichshain-Kreuzberg, Pankow und Steglitz-Zehlendorf hat nun gezeigt: Nicht einmal jeder Fünfte hat schon mal am Joint gezogen – obwohl es die Hälfte der Befragten für „angesagt“ hält, genau dies zu tun. Erfahrungen mit Alkohol haben dagegen bereits etwa die Hälfte der 11- bis 16-Jährigen gemacht. So viel also zum Klischee der kiffenden Großstadtjugend.

Also jetzt aber: Legalize it? Man erinnert sich, da gab es im vergangenen Jahr eine heiß geführte Debatte um die Idee der Kreuzberger Grünen, legale Cannabis-Verkaufsstellen für Erwachsene im Bezirk einzurichten. So sollte der Schwarzmarkt ausgetrocknet werden – womit man schließlich auch Jugendlichen den Drogenkauf erschweren wollte.

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte hingegen kanzelte den Grünen-Antrag unter anderem mit dem Hinweis ab, der Jugendschutz sei mit dem Modell nicht gegeben. Immerhin könnten die Drogen ja von Erwachsenen weitergegeben werden. Zudem werde durch die Freigabe „Unbedenklichkeit“ suggeriert. Welche die Droge zumindest für Heranwachsende nicht hat, wie Suchtforscher nicht müde werden nachzuweisen: weil man ein erhöhtes Psychoserisiko belegen kann, weil es zu Lernstörungen und zu einer verzögerten emotionalen Entwicklung kommen kann. Muss alles nicht, kann aber sein.

Tatsächlich sind die Ergebnisse der Studie eher ein Argument für die Gegner der Cannabis-Freigabe – und zwar, wenn man sich die Umfragewerte beim Alkoholkonsum anschaut. Hier ist das Verhältnis Coolness- zu Konsumfaktor nämlich genau andersherum wie beim Cannabis: Für „angesagt“ halten Alkohol nur ein Viertel der Jugendlichen – doch immerhin rund 20 Prozent der 13-Jährigen konsumieren bereits regelmäßig „anlassbezogen“, wie es in der Studie heißt. Je mehr Alltagsdroge, je gesellschaftlich akzeptierter – desto verbreiteter also offenbar der Konsum.

Denn wenn der Reiz des Verbotenen tatsächlich so reizvoll wäre, müssten die Zahlen bei den Cannabis-Probierern in der Studie höher liegen. Stattdessen gehöre schon für eine Mehrheit der ZehntklässlerInnen „Alkohol zum Leben dazu“ – und das Probieren, auch das hat die Studie abgefragt, fängt seltener im Freundeskreis an als in der Familie, wie immerhin 80 Prozent angaben.

Man möchte sich ja gerne ein bisschen locker machen beim Thema Cannabis – aber vielleicht muss man auch sagen: besser nicht. Anna Klöpper

Typische Berliner Geschichte

White Trash in Insolvenz

Was das White Trash erhaltenswert macht? Der Laden weiß zu überraschen

Schwere Zeiten für Junkfood mit Rock-’n’-Roll-Taste: Das White Trash Fast Food Restaurant, das seit knapp 20 Jahren Burger-und-Fritten-Genuss mit (Live-)Musik verbindet, hat Insolvenz angemeldet. Das Aus für diese Institution des Berliner Abend- und Nachtlebens muss dies nicht bedeuten: Der Betrieb geht vorerst weiter, der US-amerikanische Betreiber Walter „Wally“ Potts und Insolvenzverwalter Udo Feser erstellen von Juni an einen neuen Businessplan.

Der Schuldenberg habe sich, so sagte Potts der taz am Dienstag, vor allem durch Bauverzögerungen am 2014 bezogenen neuen Standort auf dem Arena-Gelände in Treptow angehäuft. Feser und Potts hoffen nun, dass der jetzt endlich fertiggestellte Club genug abwirft, um sich mit den Gläubigern – vor allem Bau- und Getränkefirmen – zu einigen.

Das White Trash erzählt dabei die sehr typische Berliner Geschichte einer kleinen, hippen Location, die als Off- und Subkultur in Mitte und Prenzlauer Berg startete, dann wuchs und wuchs und schließlich zu einem der must-sees der Stadt wurde. Unter diesem Aspekt hat das White Trash mehr mit einem Vorzeigeclub wie dem Berghain gemein, als man denken würde.

Entsprechend viel gemault wird aber auch über das Burgerrestaurant: Zu teuer geworden! Nur noch Touris! Horrender Eintritt! Wer bei so unterschiedlichen Clubs wie dem Berghain und dem White Trash genauer hinschaut, wird sehen, dass sich diese Locations weiterentwickeln und dass die Macherinnen und Macher immer noch brennen für die Sache. Und wer gar mal hingeht, könnte erkennen, dass auch Touristen ganz simpel Menschen sein können, die sich für das Kulturleben anderer Städte interessieren.

Was das White Trash erhaltenswert macht? Es ist ein Laden, der zu überraschen weiß. In dem plötzlich die Postpunk-Legende The Fall ein Spontankonzert gibt. In dem man Lemmy von Motörhead die letzte Ehre erweisen kann, indem man die Trauerfeier dort im Livestream sieht und dazu Whisky schlürft. Oder in dem man Pete Doherty bei einem seltenen Solo-Clubgig erleben kann.

Letzterer übrigens, so erzählt es Wally Potts, habe von der Finanzmisere gehört und ihm eine Nachricht geschrieben, er solle jetzt bloß nicht aufgeben. Wer weiß, vielleicht fliegt Mr. Doherty ja schon bald wieder ein, um ein paar Euro in die Kasse zu spülen. Jens Uthoff