Die Gesellschaftskritik
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Jetzt doch die Guten? Foto: dpa

Microsoft will reden

WAS SAGT UNS DAS? Nun legt sich auch der Windows-Hersteller mit der US-Regierung an: Microsoft will Kunden über geheime Überwachungsanfragen informieren dürfen

Es ist der neueste Trend aus den USA: den Staat für mehr Datenschutz verklagen. Nach Apple sucht nun auch Microsoft die juristische Auseinandersetzung mit der US-Regierung. Der Windows-Hersteller will seine Kunden künftig darauf hinweisen, wenn der Staat eine geheime Überwachung durchführen will – zumindest sofern der Hinweis nicht in laufende Ermittlungen grätscht. Microsoft reichte eine Klage ein, die Justizbehörde prüft.

Wie bei einem Durchsuchungsbefehl darf die amerikanische Exekutive auch Anbieter von E-Mail- und anderen Diensten zwingen, Kundendaten herauszurücken. Die Firmen müssen spuren und Nachrichteninhalte, Kontakte oder sonstige Daten ihrer Kunden herausgeben, ohne die Betroffenen darüber informieren zu dürfen.

Microsoft-Chefjustiziar Brad Smith befürwortete in einem Blogeintrag zwar die Geheimhaltung von Durchsuchungen bei laufenden Ermittlungen in Hinblick auf etwa Beweisvernichtung – diese müssten aber die Ausnahme sein. Die Praxis sehe jedoch anders aus, so Smith: „Die große Menge an geheimen Durchsuchungsbefehlen, die wir erhalten, spricht dafür, dass viele davon tatsächlich nicht gerechtfertigt sind.“

„Verfassungswidrig“

Laut Smith verlangte die Regierung in den vergangenen 18 Monaten insgesamt 2.576 geheime Durchsuchungen. Bei mehr als 1.700 dieser Fälle begrenze die Exekutive die Geheimhaltung nicht auf ein konkretes Enddatum. Im Klartext heißt das, dass Microsoft seine Kunden niemals über die Überwachung aufklären kann – auch nicht nach Abschluss von folgenlosen Durchleuchtungen. Das sei ver­fassungswidrig, argumentiert Smith.

Von staatlicher Seite verlautete bislang lediglich, dass man die Klage prüfe. Beistand erhielt Microsoft aber von der amerikanischen Datenschutz-NGO Electric Frontier Foundation (EFF). Sie lobte Microsoft auf taz-Anfrage „ausdrücklich dafür, dass sie gegen amtlich verordnete Maulkörbe vorgehen wollen. Fast alle zeitlich unbeschränkten Redeverbote über Observationen sind verfassungswidrig. Die von Microsoft vorgelegten Zahlen beweisen, das dieses behördliche Vorgehen längst Routine ist.“

In Deutschland sieht die Lage übrigens besser aus. Zwar gibt es auch hier seit 2005 geheime Observationen des Mailverkehrs. Aber nach Abschluss der Überwachungen muss die Behörde das Opfer über Art und Umfang der Ausleuchtung aufklären.

Konzern statt Bürger

Seit den Snowden-Enthüllungen inszenieren sich IT-Konzerne zunehmend als Gralshüter der Datensicherheit. Zuletzt führte WhatsApp eine Verschlüsselung ein. Neulich hatte Apple sich mit der US-Regierung gestritten, ob der Konzern dabei helfen müsse, das iPhone des San-Bernadino-Attentäters zu knacken. Und schon Jahre zuvor wehrte sich Twitter vor Gericht dagegen, Stillschweigen darüber bewahren zu müssen, dass US-Behörden bei dem Dienst Daten über die Konten prominenter Wikileaks-Unterstützer abfragten.

Am Ende bleibt eine Menge Gratis-PR und die Erkenntnis, dass immerhin die als Datenkraken verschrienen IT-Konzerne sich für Datenschutz einsetzen, während gläserne ­Bürger sich traditionell wenig für ihre Transparenz interessieren. Gareth Joswig