Linkspartei diskutiert:
Ist Rot-Rot-Grün tot?

Strategie Pragmatiker Stefan Liebich sieht Hoffnung – und widerspricht der Parteispitze

Die Analyse derbeiden ChefInnen bekommt auch Lob

BERLIN taz | Hat Rot-Rot-Grün im Bund noch eine Chance? Eine düstere Prognose der Linke-ParteichefInnen Katja Kipping und Bernd Riexinger sorgt für Streit in der Linkspartei. „Natürlich sieht es nicht gut aus für Rot-Rot-Grün“, sagte der Bundestagsabgeordnete Stefan Liebich am Montag der taz. „Aber wir sollten die Ausdifferenzierung in der SPD fördern und ernst nehmen – und nicht die Sozialdemokratie pauschal abschreiben.“ Liebich betonte, eine Aufteilung der Welt in „ein neoliberales Merkel-Lager und in ein solidarisches Lager auf der anderen Seite“ sei falsch.

Der Außenpolitiker und Pragmatiker bezog sich auf ein Strategiepapier von Kipping und Riexinger, das die taz am Montag veröffentlicht hatte. Darin distanzieren sich beide von SPD und Grünen. Jene Parteien seien von sozialer Gerechtigkeit weiter entfernt als je zuvor. „Es gibt kein linkes Lager der Parteien mehr.“ SPD und Grüne hätten sich mit ihrer Rolle als „Mehrheitsbeschaffer in einer ‚marktkonformen Demokratie‘ (Merkel) abgefunden“. Kipping und Riexinger definieren die Linkspartei als organisierende Kraft in einem „Lager der Solidarität“ jenseits von Angela Merkel.

„Wenn man das ernst nehmen würde, hieße das ja, dass das Lager der Solidarität ohne die Wähler von SPD und Grünen auskommen müsste“, sagte Liebich weiter. „Dann wäre es aber sehr klein.“ Liebich gehört zu einem Kreis von Abgeordneten von SPD, Grünen und Linkspartei, die sich regelmäßig treffen, um die Machtoption Rot-Rot-Grün vorzubereiten.

Die Analyse der beiden ChefInnen wurde aber auch gelobt. Rot-Rot-Grün habe wegen der AfD arithmetisch keine Mehrheit mehr, sagt die Linkspartei-Abgeordnete Ulla Jelpke. Für sie ist klar: Die SPD habe sich von sozialdemokratischer Politik weit entfernt. „Ich sehe keine Möglichkeit, mit dieser SPD im Bund etwas hinzukriegen.“ Als Beispiel verwies Jelpke auf die SPD-Arbeitsministerin, welche Flüchtlingen mit Leistungskürzungen gedroht hatte, wenn sie sich nicht integrieren wollten.

Die Abgeordnete Sevim Dagdelen kritisierte einen anderen Punkt. Kipping und Riexinger fordern in dem Papier mehrmals, es brauche eine soziale Revolution in Deutschland. „Es ist schön, wenn die Parteivorsitzenden nach den massiven Wahlniederlagen die soziale Revolution für sich entdecken und jetzt in den Fokus rücken“, sagte Dagdelen. „Allein es stellt sich die Frage, wer sie durchführen soll.“ Es sei schade, dass dies nicht auf dem Bundesparteitag zur Abstimmung stehe.

Das darf man als Kritik an den Chefs verstehen. Kipping und Riexinger wollen auf dem Linke-Parteitag am 28. und29. Mai in Magdeburg wiedergewählt werden. Das Strategiepapier ist Teil ihrer Werbekampagne. Ulrich Schulte