Bäume sterben langsam

Umwelt Aufgrund von Bauarbeiten geht’s vielen Straßenbäumen mies. Die Umweltdeputation will jetzt ihren Schutz verbessern

Egon Schiele malt Bäume stets als schutzbedürftige todesnahe Zeichen des Lebens Foto: Gemälde:Egon Schiele

von Karolina Meyer-Schilf

„Straßenbäume sind echte Großstadthelden“, so steht’s auf der Homepage des Bremer Umweltbetriebs (UBB). Etwa 70.000 verrichten in der Stadt Bremen ihren Dienst als Sauerstofflieferanten, Schattenspender und Heim für Vögel und Insekten. Doch sie sind in Gefahr: Bei Stichproben der Umweltbetriebe auf Baustellen zeigte sich, dass bei etwa der Hälfte der Bauvorhaben die Vorgaben zum Baumschutz nicht ausreichend beachtet wurden. Und das, obwohl nur etwa zehn Prozent der Baustellen kontrolliert wurden – für mehr reicht die Personaldecke des Umweltbetriebs nicht aus. Die Dunkelziffer der beschädigten Bäume dürfte somit erheblich sein.

Das Problem: Bei Baumaßnahmen, die beispielsweise Ausschachtungen in der Nähe der Bäume erfordern, wird das Wurzelwerk oftmals durch Bagger beschädigt. Dabei lautet eine Faustregel: So breit wie die Baumkrone erstreckt sich unten auch das Wurzelwerk – mindestens. „Das größte Problem sind Pflasterarbeiten oder Rohre, die verlegt werden“, sagt Baumpfleger Eike Seidel aus Bremen.

„Wenn die Starkwurzeln der Bäume durch Bagger beschädigt werden, können sich Pilzsporen ansiedeln. Und die knabbern dann die Wurzeln weg.“ Dass ein Baum ernsthaft beschädigt wurde, sieht man allerdings nicht sofort: „Bäume sterben langsam und leise, aber verlässlich“, sagt auch die öffentlich vereidigte Baumsachverständige Bea Linnert.

So kann es 30 Jahre dauern, bis man dem Baum äußerlich etwas ansieht, oder auch nur fünf. „In der Zwischenzeit sind die Standfestigkeit gefährdet, die Verkehrssicherheit verschlechtert, und es wird außerdem auch richtig Geld verbrannt“, sagt Grünen-Sprecher Ralph Saxe, der sich seit Jahren mit dem Thema befasst. Ein neu zu pflanzender Straßenbaum kostet bis zu 3.000 Euro. Ein älterer ist oft ein Vielfaches wert.

Auf Betreiben der Grünen hat sich nun die Umweltdeputation eingehend mit dem Thema befasst. Wie Grünen-Sprecher Ralph Saxe berichtet, gibt es seit Jahren Gespräche zwischen der Umweltdeputation und dem UBB, doch nun seien erstmals große Fortschritte erzielt worden. Aus der Vorlage für die Umweltdeputation geht hervor, dass ein breites Bündel an Maßnahmen geschnürt werden soll, um den Bestand an Straßenbäumen in Zukunft wirksamer zu schützen.

Denn das Problem der mangelnden Kontrollen von Baustellen liegt nicht nur in der dünnen Personaldecke beim UBB begründet. Von vielen Baustellen erlangt der UBB nämlich keine Kenntnis. Das betrifft vor allem Tagesbaustellen, die zu Reparaturzwecken eingerichtet werden, etwa bei einem Wasserrohrbruch. „Es gibt hunderte solcher Tagesbaustellen in Bremen. Dann fängt jemand an zu graben, aber Kontrollen gibt es nur bei angemeldeten Baustellen“ beschreibt Saxe die Situation.

Dass die Vernetzung zwischen dem Amt für Straßen und Verkehr und den UBB ausbaufähig ist, scheint inzwischen allen Beteiligten klar zu sein. Kerstin Doty von der UBB verspricht: „Die Kommunikation mit dem ASV zum Schutz der Bäume steht bei uns ganz oben auf der Liste und wird künftig weiter ausgebaut.“ Und auch die Bauherren sollen mehr in die Pflicht genommen werden.

Vor 65 Jahren haben die Vereinten Nationen den 25. April zum Internationalen Tag des Baumes erklärt.

Der Fest- und Aktionstag geht in seiner gegenwärtigen Gestalt zurück auf eine Anregung des Nebraska-Pioniers und späteren US-Agrarministers Julius Sterling Morton.

Am 4. Januar 1872 legte er dem Landwirtschaftsrat von Nebraska eine Resolution vor, die einen landesweiten Pflanzwettbewerb ausrief: Der County, in dem am 10. April die meisten Bäume gepflanzt wurden, sollte einen staatlichen Zuschuss von 100, die pflanzfreudigste Farm von 25 Dollar erhalten.

Mehr als eine Million Bäume sind an diesem Tag Schätzungen zufolge gesetzt worden: Wegen dieses Erfolgs wurde die Resolution binnen 20 Jahren von sämtlichen Bundesstaaten übernommen und der Arbor Day in Nebraska noch zu Lebzeiten Mortons zum Feiertag erklärt.

Theodor Heuss pflanzte am 25. April 1952 zur Feier des ersten deutschen „Tag des Baumes“ im Bonner Hofgarten einen Ahorn. (bes)

Zukünftig, so heißt es in der Vorlage für die Umweltdeputation, will die UBB „im Falle der Betroffenheit von Baumbestand“ den Bauherren auf deren Kosten die Hinzuziehung eines Baumsachverständigen auferlegen.

Dies betrifft zwar hauptsächlich öffentliche Baumaßnahmen, soll aber laut Saxe bei größeren Vorhaben auch privaten Bauherren auferlegt werden. Allerdings werde nicht bei jedem Projekt künftig ein Sachverständiger nötig sein, sondern nur für solche, durch die tatsächlich Straßenbäume betroffen sind.

Die neue Entschlossenheit in Sachen Baumschutz sollen zudem auch die Baufirmen zu spüren bekommen. So sollen Baufirmen ermahnt und gegebenenfalls von der Bewerberliste gestrichen werden, die bei Kontrollen wiederholt negativ aufgefallen sind. Insgesamt konstatiert Saxe beim UBB „ein hohes Problembewusstsein“. Die Umsetzung der jetzt geplanten Maßnahmen will er genau verfolgen: „Da werden wir nachfragen, und ich erwarte auch, dass da etwas passiert.“