Hier treibt die Liberalisierung merkwürdige Blüten

Arbeit Die Angestellten des Botanischen Gartens in Dahlem kämpfen um gerechte Löhne, sichere Arbeitsplätze und gewerkschaftliches Engagement

In der verfahrenen Situation am Botanischen Garten hoffen die Angestellten auf Rückendeckung – und eine klare politische Aussage, dass man sie weiterbeschäftigen möchte. Am heutigen Donnerstag tagt das Kuratorium der Freien Universität (FU), das die Hochschule berät. „Wenn das Gremium sich dagegen ausspricht, dass die Bereiche Besucherservice und Technik ausgelagert werden, hat das Gewicht“, sagt Betriebsratsvorsitzender Lukas Schmolzi. „Denn es bringt ja nichts, wenn unsere Löhne angeglichen werden, wir aber unseren Arbeitsplatz verlieren.“

Hintergrund der Konflikte ist, dass rund 70 der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht bei der FU direkt angestellt sind, sondern bei der Betriebsgesellschaft Botanischer Garten und Botanisches Museum. Sie ist eine Tochterfirma der Uni. Deren Angestellte werden nicht nach dem Tarifvertrag der Länder bezahlt. Sie bekommen für ihre Arbeit gerade mal den Mindestlohn – und damit bis zu 42 Prozent niedrigere Löhne als ihre bei der FU angestellten KollegInnen. Außerdem gibt es an der FU Überlegungen, die Aufgaben der Tochterfirma an andere Firmen zu vergeben. Damit wären alle dort Angestellten von Kündigungen bedroht.

Uni will Kosten sparen

In der letzten Kuratoriumssitzung im Dezember hatte das Präsidium vorgeschlagen, Besucherservice, Technik und Reinigung anders zu organisieren, um Kosten zu sparen. „Wir wollen, dass die Unileitung das zurücknimmt“, sagt Schmolzi.

Seit Februar 2015 setzen sich die Angestellten für höhere Gehälter ein. Im März streikten sie, die Gewerkschaft Ver.di verhandelt zurzeit mit der Betriebsgesellschaft. Ende März verstärkte sich der Druck, der auf die Angestellten ausgeübt wird. Im Dienstplan für April tauchten die Reinigungskräfte schon gar nicht mehr auf. Der Betriebsrat wollte dem Dienstplan daher erst nicht zustimmen.

Daraufhin stellte die Betriebsgesellschaft alle Angestellten frei: „Ab dem 1. April 2016 sind Sie zu keiner Arbeit verpflichtet und wir dürfen Sie auch nicht vertragsgemäß beschäftigen“, schrieben die Geschäftsführer in einer Mail an die Angestellten, die der taz vorliegt. Die Löhne würden weiterbezahlt.

„Das hat uns sehr verunsichert“, sagt Schmolzi. „Nach der Androhung haben wir dem Dienstplan gegen unseren Willen doch zugestimmt.“ Der Geschäftsführer nahm die Freistellung daraufhin zurück. Beigelegt war der Konflikt damit allerdings nicht. Denn die drei Reinigungskräfte blieben weiterhin freigestellt, der Bereich ist inzwischen aufgelöst. „Auf ihrem Arbeitsplatz wird derzeit eine Fremdfirma ausprobiert“, sagt Jana Seppelt von Ver.di. Und sie betont: „Wir sehen das durchaus als eine Behinderung von Gewerkschafts- und Betriebsratsarbeit.“

Die FU teilte mit, dass sie sich während der laufenden Verhandlungen nicht zu deren Inhalten äußern könne, die Betriebsgesellschaft selbst ließ alle Anfragen unbeantwortet.

Lohndumping unter Palmen

Inzwischen haben sich Vertreter der Studierenden und von Linkspartei, Grünen und SPD solidarisch erklärt. Unbekannte hängten vor zwei Wochen ein Transparent mit der Aufschrift „Lohndumping unter Palmen“ an einem der Gewächshäuser auf. Und bei einer Podiumsdiskussion über prekäre Beschäftigungsbedingungen in Berlin nannte Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) die Situa­tion im Botanischen Garten „schwer akzeptabel“. „Ich halte es für ein ziemliches Ärgernis, was da passiert“, sagte der Senator. „Wir haben die Hochschulautonomie und die Selbstverwaltung. Aber der Berliner Senat hat klare Hinweise gegeben, dass er eine deutliche Verbesserung dort erwartet, und wir erwarten, dass die FU endlich etwas tut.“

Die FU hatte hingegen das Land Berlin im Dezember aufgefordert, für eine „angemessene und auskömmliche“ Bezahlung zu sorgen und sich für gleichen Lohn für alle einzusetzen. Aus ihrer Sicht sollte das Land die notwendigen Mittel bereitstellen. „Wir freuen uns über die Solidarität. Aber letztlich schieben sich FU und Senat gegenseitig die Verantwortung zu“, sagt Schmolzi. Uta Schleiermacher