Andreas Behn über das Amtsenthebungsverfahren in Brasilien
: Korrupte gegen Korruption

Nicht weniger als zwei Drittel der brasilianischen Abgeordneten haben dafür gestimmt, gegen Präsidentin Dilma Rousseff ein Amtsenthebungsverfahren einzuleiten. Ein solch klares Votum dürfte das Schicksal der ersten Frau in diesem Amt besiegelt haben. Doch die Entscheidung ist alles andere als ein Meilenstein im Kampf gegen Korruption.

Die Verfassung sieht ein Amtsenthebungsverfahren vor, wenn dem Staatsoberhaupt eine Straftat nachgewiesen werden kann. In der turbulenten Debatte erinnerte sich nun aber kaum noch jemand daran, dass bisher Rousseffs einziges nachweisbares Vergehen ihre Haushaltstricks waren – und das ist in Brasilien bisher noch nie als Verbrechen eingestuft worden.

Gegen die Präsidentin wird im Rahmen des Petrobras-Korruptionsskandals trotz wilder Medienspekulationen und zweifelhaftem Vorgehen der Justiz nicht einmal ermittelt. Das ganze Verfahren ist deshalb eine Farce. Rousseff wird nicht wegen dieser Tricks an den Pranger gestellt, sondern weil die Oppositionsparteien und übergelaufene ehemalige Koalitionspartner selbst an die Macht wollen. Dabei vertreten die Oppositionspolitiker noch nicht einmal Inhalte oder Alternativen. Sie werfen der Regierung nur alle erdenklichen Fehler vor und polarisieren das Land.

Noch absurder wird die Debatte über den Kampfbegriff Korruption aber dadurch, dass sich im Gegensatz zur Präsidentin zahllose Politiker aller Couleur auf Schmiergeldlisten von bereits überführten Unternehmen finden lassen. Über 55 Prozent aller Abgeordneten, die gerade über Rousseff richten, stehen selbst vor Gericht oder wurden bereits verurteilt – meist wegen Korruption. Und Parlamentspräsident Eduardo Cunha, der die peinliche Schiedssitzung gegen Rousseff genüsslich leitete, unterhielt in der Schweiz laut dortiger Staatsanwaltschaft illegale Geheimkonten mit mehreren Millionen Euro.

Rousseff muss kritisiert werden, aber nicht von solchen Leuten.

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