Flüchtlinge

Von Papst Franziskus bis zur Wissenschaft: Die Kritik an der Politik der EU zur Abwehr von Menschen wächst

Der Papst erinnert Europa an die Menschenrechte

Griechenland Papst Franziskus besucht das überfüllte Flüchtlingslager Moria auf der Ägäis-Insel Lesbos und nimmt drei syrische Familien mit nach Rom. Zur Politik der Europäischen Union findet das katholische Kirchenoberhaupt deutliche Worte

„Ich möchte mich mit den Flüchtlingen solidarisch zeigen“

Papst Franziskus

MYTILINI/LESBOS taz | Vatikansprecher Pater Federico Lombardi hatte vor der Abreise des Papstes noch betont, dass der Besuch des Heiligen Vaters bei den Flüchtlingen von Lesbos nicht als Kritik an der Europäischen Union und ihrer Flüchtlingspolitik zu verstehen sei. Doch Franziskus selbst machte seine Haltung in seiner Ansprache am Hafen von Mytilini nur zu deutlich: „Europa ist die Heimat der Menschenrechte, und wer auch immer seinen Fuß auf europäischen Boden setzt, müsste das spüren können“, sagt der Papst. Die Missstände, die durch die Abschottungspolitik der EU-Länder und der seit dem 20. März geltenden Abschiebetaktik infolge des EU-Türkei-Abkommens immer drastischer werden, hatte der Papst zuvor selbst begutachtet.

Gemeinsam mit dem griechischen Ministerpräsident Alexis Tsipras, dem griechisch-orthodoxen Patriarchen Bartholomaios I. und dem orthodoxen Erzbischof Hieronymus II. besuchte Franziskus das Flüchtlingslager Moria, in dem derzeit mehr als 2.000 Menschen ausharren. Das Camp wurde nach Inkraft­treten des EU-Türkei-Abkommens „zum Gefängnis mit menschenunwürdigen Bedingungen“, sagten Flüchtlinge in Moria der taz.

Dort reichen die Kapazitäten längst nicht mehr aus. Viele Flüchtlinge müssten unter freiem Himmel schlafen, nicht immer gebe es genug Nahrung, berichten freiwillige Helfer. Bis vor ein paar Tagen waren etwa 3.000 Menschen in Moria eingesperrt. Doch vor dem Papstbesuch fand die sogenannte Aktion Besen statt: Etwa 600 Menschen – hauptsächlich Schwangere, Alleinerziehende und Kranke – wurden in das offene Camp Kara Tepe gebracht, um die Lage in Moria etwas zu entspannen. Zusätzlich wurden die Außenmauern des Flüchtlingscamps Moria weiß getüncht,. Dennoch – die Verzweiflung der Menschen war nicht zu vertuschen.

Neben Willkommensschildern hielten die Flüchtlinge Pappschilder mit „Hilf den Menschen“ oder „Papst ist Hoffnung“ bei der Ankunft des Besuchs in Moria in die Höhe. Ein junger Mann brach vor Franziskus in Tränen aus, bat verzweifelt um seinen Segen. Ein etwa 10-jähriges Mädchen warf sich schluchzend vor ihm auf den Boden. Gemeinsam mit neun ausgewählten Flüchtlingen aß der Papst dann zu Mittag. „Ich möchte mich mit den Flüchtlingen solidarisch zeigen“, sagte Franziskus.

Zeichensetzend war auch die gemeinsame Erklärung der Kirchenoberhäupter. Sie appellieren „an die internationale Gemeinschaft, mutig zu reagieren und dieser massiven humanitären Krise und den ihr zugrundeliegenden Ursachen durch diplomatische, politische und karitative Initiativen zu begegnen wie auch durch gemeinsame Anstrengungen sowohl im Nahen Osten als auch in Europa“, heißt es darin.

Der griechische Ministerpräsidien Alexis Tsipras, der sich in Lesbos eher im Hintergrund hielt, wertete den Besuch des Papstes als historisch – und als Möglichkeit, erneut die Notwendigkeit zu betonen, legale Fluchtwege für Menschen aus Kriegs- und Konfliktzonen zu öffnen. Der Papst ging mit gutem Beispiel voran. Er hatte zuvor angekündigt, einige Flüchtlinge direkt mit nach Rom zu nehmen. 12 Glückliche aus drei syrischen Familien stiegen mit ihm ins Flugzeug zurück nach Rom. Alle anderen Flüchtlinge bangen weiter – am Montag sollen die Abschiebungen in die Türkei aus dem Hafen von Mytilini weitergehen.

„Wir hatten schon Künstler, Hollywoodstars und jetzt auch den Papst hier – die Flüchtlingskatastrophe ist im Fokus der Welt“, schimpfte eine Einwohnerin von Mytilini, die die Ansprache des Papstes am Hafen mitverfolgt hat. Aufmerksamkeit gebe es genug. „Was wir endlich brauchen, ist eine Politik, die den Werten Europas gerecht wird.“ Theodora Mavropoulos