Schweizer verbieten Minarette

VOLKSABSTIMMUNG Überraschender Sieg der Schweizer Rechtspopulisten: Die Eidgenossen stimmen in einem Referendum gegen den Bau von Gebetstürmen auf Moscheen

„Es darf nicht sein, dass religiöse Minderheiten damit rechnen müssen, ungleich behandelt zu werden“

BERLIN dpa/rtr/epd | Die Schweizer haben am Sonntag in einer Volksabstimmung deutlich einem Bauverbot für Minarette zugestimmt. Nach der Auszählung der Stimmen hat überraschend eine Mehrheit von 58 Prozent der Wähler in einer Volksabstimmung die von Anhängern der Schweizerischen Volkspartei (SVP) lancierte Initiative angenommen. Auch hat die Initiative eine Mehrheit in den Kantonen erzielt. Das Ergebnis der Abstimmung kommt einer Sensation gleich: In Umfragen hatten zuletzt lediglich 37 Prozent der Befragten angegeben, für ein Minarettverbot stimmen zu wollen. Die Schweiz ist das erste Land der Welt, das sich gegen den Neubau der Türme ausspricht. Ob das Bauverbot tatsächlich in die Verfassung des Landes aufgenommen wird, ist jedoch fraglich.

Vertreter der Muslime in der Eidgenossenschaft sagten, sie seien schockiert. „Die Moslems fühlen sich als Glaubensgemeinschaft in der Schweiz nicht akzeptiert“, kommentierte Farhad Afshar, Präsident der Koordination islamischer Organisationen Schweiz, das Resultat. Auch Vertreter der christlichen Kirchen äußerten sich bestürzt. Unter knapp acht Millionen Schweizern leben rund 400.000 Muslime. Seit 1962 wurden erst vier Minarette in der Schweiz errichtet, der Bau eines weiteren Turms ist bewilligt.

„Es darf nicht sein, dass religiöse Minderheiten jetzt damit rechnen müssen, ungleich behandelt zu werden“, warnte Thomas Wipf, Präsident des Rates des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes. Das Minarettverbot löse kein einziges Problem, sondern schaffe nur neue Schwierigkeiten. Der Schweizerische Arbeitgeberverband drückte in einer ersten Stellungnahme sein Bedauern aus: „Damit wird der Ruf der Schweiz als offenes und tolerantes Land beschädigt mit negativen Folgen für die Wirtschaft.“

„Ich bin sehr befriedigt“, sagte hingegen Ulrich Schlüer, Abgeordneter der Schweizerischen Volkspartei (SVP). Schlüer gilt als der geistige Vater der Initiative. Die SVP, die größte Partei des Landes, unterstützte das Vorhaben. Die Befürworter eines Banns sagten, die Minarette symbolisierten einen „Herrschaftsanspruch des Islam“ über die Schweiz. Sie warnten auch vor einer „Islamisierung“ der Schweiz.

Rechtsexperten betonen, ein Bauverbot verstoße aller Wahrscheinlich nach gegen die Europäische Menschenrechtskonvention. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte könnte das Bauverbot für Minarette in der Schweiz stoppen. „Gegen das Bauverbot wird sicher vor dem Gerichtshof geklagt“, sagte der Berner Islamwissenschaftler Reinhard Schulze.

Die Regierung, die meisten Parteien und die Kirchen hatten vor einer Annahme der Initiative gewarnt. Sie sagten, ein Minarettverbot löse keine Probleme bei der Integration von Menschen aus muslimischen Ländern. Sie befürchteten auch einen Angriff auf die Religionsfreiheit. Wirtschaft und Unternehmen schließen jetzt einen Boykott von Schweizer Waren in der muslimischen Welt nicht mehr aus.

Die Initiatoren hatten in anderthalb Jahren mehr als 100.000 Unterschriften gesammelt und so die Volksabstimmung durchgesetzt. Sie betonen, dass sich das Referendum nicht gegen den Islam als Religion wende. Der SVP-Politiker Ulrich Schlüer, einer der Wortführer der Initiative, kritisierte die Minarette als ein „politisches Symbol eines Machtanspruchs“.

Für landesweite Aufregung sorgten vor allem die provokativen Plakate der Anti-Minarett-Initiative, die in mehreren Städten verboten wurden. Auf dem Poster ist eine Frau im Tschador vor einer Schweizer Fahne mit raketenähnlichen Minaretten zu sehen. Die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus (EKR) wertete das Plakat als eine Bedrohung des öffentlichen Friedens, auch Menschenrechtsexperten der UNO zeigten sich besorgt.

Die Regierung in Bern hatte den Stimmberechtigten empfohlen, mit Nein zu votieren. Sie befürchtet, ein Minarettverbot werde „im Ausland auf Unverständnis stoßen und dem Ansehen der Schweiz schaden“. Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf, bis zum Sommer 2008 selbst noch SVP-Mitglied, hatte gesagt, ein Minarettverbot stehe im Widerspruch zu den Menschenrechten und gefährde den religiösen Frieden.