Jazz riecht es wieder gut

Der Dortmunder Jazzclub Domizil wird am Wochenende mit einem Festival neu eröffnet. Nach 35 Jahren im verrauchten Keller setzen die Macher auf eine Fortsetzung im mondänen Ambiente

AUS DORTMUNDHOLGER PAULER

Waldo Riedl wirkt leicht verkatert. Die Vorpremiere zum Neustart des Dortmunder Jazzclubs Domicil am Mittwochabend hat ihre Spuren hinterlassen. Bis in den frühen Morgen sei getanzt, gespielt und geredet worden. „Ein anstrengender Start“, so Riedl. Dennoch lässt es sich der Domicil-Chef nicht nehmen, die Schaulustigen durch die Baustelle des neuen Domicils zu führen. Heute Abend wird der Jazzclub mit einem viertägigen Festival eröffnet. Unweit des Hauptbahnhofs, in den Räumlichkeiten des ehemaligen Hansa-Theaters.

Eine riesengroße cineastische Leuchtreklame zieht die Passanten ins Domicil: eine italienische Kaffee-Bar im Foyer, die mondäne Treppenhaus-Lounge ist schwarzweiß gefliest. Im Obergeschoss ein kleiner Club, nebenan an der große Konzertsaal – bis zu 500 Leute passen hinein. Aktuell noch recht provisorisch, „aber bis Weihnachten sind auch die Feinarbeiten abgeschlossen“, hofft Waldo Riedl. Das Domicil soll das Aushängeschild des angeschlossenen Brückviertels werden. Hier, wo in den 1920er Jahren Bars, Kinos und Cafés das Stadtbild prägten, soll ein neues lebendiges Viertel entstehen.

Das alte Ambiente in der Dortmunder Leopoldstraße hat ausgedient. 36 Jahre nach der Eröffnung am 14. März 1969. Ein Relikt der 68er Bewegung. „Ein bisschen Wehmut ist schon dabei“, sagt Waldo Riedl, „aber es musste sein“. Der alte verrauchte, viel zu kleine Jazzkeller hatte sich überlebt. „Die Ansprüche des Publikums haben sich geändert.“ Ab 100 Besuchern herrschte Atemnot, die Leute seien dann irgendwann weggeblieben. „Viele Acts sind nicht mehr finanzierbar gewesen“, so Riedl. Chet Baker, Archie Shepp, Dexter Gordon oder Joe Zawinul spielten hier. Der europäische FreeJazz um Peter Brötzmann, Evan Parker oder Alexander von Schlippenbach oder die New-Yorker Downtown Szene gehörten zum Inventar wie die lokalen Acts Matthias Nadolny und Jan Klare.

Die 12. europhonics (ehemals Jazz-Festival Dortmund) wurden zur Neueröffnung extra vom Frühjahr in den Herbst verlegt. Bislang mussten das Festival von einem Ort zum nächsten ziehen, ohne heimisch zu werden. Das soll sich ändern. „Domicil und europhonics gehören in Zukunft zusammen“, sagt Waldo Riedl. Am Samstagabend schneidet WDR 5 das Konzert von Will Calhouns AZA mit – „Native Grooves“. Calhouns war jahrelang Drummer von Living Colour. Zur Band gehören: Greg Osby (M-Base), Bassist Melvin Gibbs (Defunkt, Bill Frisell), Gitarrist Jean-Paul Bourelly und Pianist Orrin Evans. Der New Yorker Sänger und Pianist Andy Bey gibt am Sonntag mit seinem Quartett nach mehr als 20 Jahren sein Comeback. Klassikern des American Songbooks stehen auf dem Programm. Am Montagabend beschließt dann die norwegische Band „Supersilent“ das Festival. Elektro-Avantgarde an der Schmerzgrenze. Mastermind Helge Sten ist Produzent der Hardcore-Band „Motorpsycho“, zu seinen Vorbildern zählt er die Krautrocker von Popul Vuh. Vor einigen Jahren beschwerten sich die Besucher des Moers-Festivals über „das lauteste Konzert der Festivalgeschichte“. Auch Waldo Riedl weiß: „Das wird ein echter Belastungstest für das Gebäude und die Nachbarschaft“.

Es sollte erfolgreich verlaufen. Immerhin ist der Pachtvertrag auf 15 Jahre angelegt. Beruhigende News auch für das Jazzmagazin „Downbeat“. Seit einiger Zeit führen die New-Yorker das alte Domicil als einen der 100 besten Jazzclubs weltweit.

Domicil re:start, 21. bis 24.10. www.domicil-dortmund.de