„Gleichberechtigte Beziehung“

Fairness taz-Kolumnistin Hilal Sezgin erklärt, wie man eine korrekte Beziehung zu Haustieren zu haben kann – und wo Missverständnisse lauern

Hilal Sezgin

Foto: Ilona Habben

45, ist Tierrechtlerin mit philosophischem Hintergrund. Bald erscheint ihr Buch „Wieso? Weshalb? Vegan? Warum Tiere Rechte haben und Schnitzel schlecht fürs Klima sind“.

taz: Frau Sezgin, ist es gerechtfertigt, Haustiere zu haben?

Hilal Sezgin: Durchaus, wenn man das „Haben“ nicht als Besitzen versteht. Wir können Tiere haben, genau so wie wir Freunden und Eltern haben. Das ist ja auch kein Besitzverhältnis, sondern eine gleichberechtigten Beziehung. Und die meisten Menschen wollen mit Tieren zusammen leben, das gehört zum menschlichen Wesen.

Kann ein Haustier sich frei fühlen?

Wenn das Tier seine Bedürfnisse befriedigen kann, dann ja. Die Bedingungen dazu variieren je nach Art und Individuum. Aber Freiheit bedeutet nicht zwangsläufig „ohne Menschen“. Auch eine absolute empirische Freiheit nach dem Motto „man tut alles, was man will“ gibt es für Tiere meist nicht – genauso wenig wie für uns Menschen! Tiere können zum Beispiel nicht überall hingehen, auch die größte Weide hat einen Zaun.

Ist ein Zugang ins Freie dafür nötig?

Ja, fast immer. Was sich mit den Ansprüchen der Tiere gar nicht vereinbaren lässt, sind Käfige. Vögel, Hamster, Kaninchen: Was sollen diese ganzen kleinen Tiere im Käfig machen? Sie können einfach nichts erleben. Manche sagen: „Denen wird doch das Futter vorgesetzt, die brauchen sich ja nicht bewegen.“ Da liegt ein ganz reduktionistisches Bild vom Tier zugrunde – ähnlich wie bei Masttieren im Stall: Wenn es genug zu essen hat und nicht offensichtlich krank ist, geht’s ihm angeblich gut. Aber das stimmt nicht. Nur fressen und scheißen ist noch kein Leben.

Welche Tierarten kann man als Haustier haben?

Einerseits muss man fragen, den Bedürfnissen welcher Tiere wir wirklich gerecht werden können. Dann sollte man überlegen, mit welchen Tieren man eine Beziehung entwickeln kann. Am besten geht dies wohl mit Hunden und Katzen, während Fische im Aquarium zumeist rein dekorativ eingesetzt werden. Und auch mit anderen Tieren kann man zusammenleben. Zum Beispiel habe ich Schafe. Sie kommen nicht ins Wohnzimmer, aber wir sind durchaus befreundet.

Wie kann man die Emotionen des Tieres berücksichtigen?

Selbstverständlich gibt es Missverständnisse, da Tiere nicht sprechen können – aber Missverständnisse gibt es einfach überall. Trotzdem gibt es auch Verständnis, und das kommt aus einer Mischung von Empathie, Wissen und Beobachtung. Die oberflächliche Beobachtung bringt allein nicht so viel, wenn man keine Kenntnis der Tierspezies und seiner Körpersprache hat. Durch die moderne Verhaltensforschung kann man die immer besser entschlüsseln – letztlich ist es eine komplexe Hermeneutik, wie andere Formen des Verstehens.

Welche sind die gängige Fehler in dem Verhältnis zu Haustieren?

Tiere in einen Käfig setzen, sie einsperren. Oft projiziert man auch die eigenen Bedürfnisse aufs Tier, nichts aus Bosheit, sondern durchaus aus Liebe. Aber Liebe schützt leider nicht vor Fehlern. Kaninchen oder Hamster mögen es zumeist gar nicht, wenn man sie anfasst, hochnimmt und streichelt. Und wenn man es mit der Freundschaft ernst meint, sollte man auch den eigenen Tagesablauf und die eigene Lebensweise mit den Bedürfnissen des Tiers abstimmen, nicht einfach verlangen, dass das Tier sich anpasst.

Was ist Ihre Meinung zur Kastration?

Sexualität gehört natürlich zum Leben der Tiere, aber noch schwerer wiegt in meinen Augen eigentlich, dass man ihnen durch eine Kastration das Aufziehen von Kindern verunmöglicht. Wenn man allerdings nicht dem gesamten Nachwuchs einen guten, lebenslangen, Platz bieten kann, sondern er unter Umständen getötet wird, sieht die Situation so aus: Entweder man nimmt den Tieren eine Komponente im Leben – oder das ganze Leben diverser Tiere. Daher ist die Kastration zwar keine glückliche, aber meist trotzdem, auch moralisch gesehen, die beste Lösung.

Woher dürfen Haustiere kommen?

Man sollte Haustiere nie vom Züchter kaufen, sondern nur aus dem Tierheim nehmen. Wenn man doch mal ein Jungtier von einem Bekannten übernimmt, muss man achtgeben, dass sich Mutter und Kind schon von alleine voneinander entwöhnt haben.

Kann das Recht helfen, ein gutes Mensch-Tier Verhältnis herzustellen?

Tiere haben einen sonderbaren rechtlichen Status, irgendwo zwischen Sachen und Personen. Sie sind keine unbelebten Gegenstände, trotzdem dürfen wir sie essen, töten und so weiter. Deswegen würde ich mich auf das Recht hier nicht als moralischen Kompass verlassen.

INTERVIEW: ANNA DOTTI