Panama Papers

Die Enthüllungen über die Briefkastenfirmen der Mächtigen setzen Staatschefs, Sportler und Diktatoren weltweit unter Druck

Aus der Oase der Geldwäscher

Steuerhinterziehung Das Datenleck einer Anwaltskanzlei in Panama bringt weltweit 14.000 Reiche in Schwierigkeiten. Der Kampf gegen Korruption fängt damit aber erst an

Hohe Lebenshaltungskosten dank der Banken: Blick auf Panama-Stadt Foto: Stefan Boness/Ipon

von Richard Rother und Eric Bonse

Am Tag danach gab es, was zu erwarten war: Beschwichtigungen, Dementis, Gegenangriffe – aber auch Entsetzen, Empörung und Aktionismus. Die Enthüllungen über die Machenschaften in der Steueroase Panama, die ein internationaler Medienverbund um die Süddeutsche Zeitung am Sonntag öffentlich gemacht hatte, haben ein globales Echo hervorgerufen.

Ob sich die internationale Staatengemeinschaft, die selten an einem Strang zieht, nun aber dazu aufrafft, den kriminellen Sumpf von Steuerhinterziehung, Korruption und Geldwäsche trockenzulegen – das muss bezweifelt werden. Denn weltweit gibt es viele Profiteure beim Geschäft mit schmutzigem Geld: nicht nur in den sogenannten Steueroasen, sondern an allen wichtigen Finanzplätzen.

Am Sonntag veröffentlichten Medien einen Datensatz mit mehr als 14.000 Personen, die mit dubiosen Scheinfirmen in Panama in Verbindung stehen sollen. Über Briefkastenfirmen sollen frühere und aktive Spitzenpolitiker, Geschäftsleute, Kriminelle, Sportstars und andere Prominente über Jahre Geld versteckt haben. Die belasteten Politiker stammen demnach aus Island, der Ukraine, Pakistan, Saudi-Arabien, Russland und Argentinien – darunter der ukrainische Präsident Petro Poroschenko, ein Hoffnungsträger der EU in Osteuropa, sowie der isländische Ministerpräsident Sigmundur Davíð Gunnlaugsson, der erst durch die Bankenkrise im Inselstaat in sein Amt gekommen war. Auch Banken wie HSBC, UBS, Credit Suisse und Deutsche Bank sollen zum Zweck der Gründung von Konten in Übersee mit der in Panama ansässigen Anwaltskanzlei Mossack Fonseca zusammengearbeitet haben.

Was aber ist eine Briefkastenfirma? Schlicht und einfach ein Unternehmen, das an seinem Sitz nur einen Briefkasten unterhält – ohne dass Chefs oder Mitarbeiter anzutreffen wären. Unter einer Adresse, etwa auf den britischen Cayman-Inseln oder in Liechtenstein, können dann Hunderte Firmen regis­triert sein. Sie werden genutzt, um Geldflüsse zu verschleiern. So können Steuern hinterzogen, Korruptionsgewinne versteckt oder kriminelle Gelder gewaschen werden.

Das ist prinzipiell recht einfach. Denn bei der Gründung der Firma, die von Strohmännern geleitet wird, taucht der ­Besitzer und Geldgeber nicht auf. Stattdessen erhält er von seiner Bank, die das Geschäft über einen Vermittler einfädelte, eine Kreditkarte, mit der er auf sein Geld zurückgreifen kann.

Die Karte läuft aber nicht auf seinen Namen, sondern auf den der Briefkastenfirma, mit der er nach außen hin gar nicht in Verbindung steht – jedenfalls so lange, wie die Daten der beteiligten Firmen sicher sind. Was bei den Panama Papers nun nicht mehr der Fall ist.

Die Anwaltskanzlei Mossack Fonseca dürfte das aktuelle Datenleck daher auch in existenzielle Schwierigkeiten bringen. Welcher dubiose Reiche möchte schon in die Öffentlichkeit gezerrt werden? Der Mitgründer der Firma, Ramón Fonseca, bestätigte jedenfalls die Echtheit der Dokumente, wies jedoch jegliche Verantwortung zurück. Sein Unternehmen habe keine Kontrolle darüber, wie Kunden die für sie geschaffenen Firmen nutzten, so Fonseca. Die Firma soll knapp 215.000 Briefkastenfirmen und mehr als 14.000 Klienten verwalten.

Während der Kreml in Moskau sich darüber empörte, die Veröffentlichungen aus Panama über das Umfeld von Präsident Wladimir Putin sollten diesen in Verruf bringen, herrschte in der Brüsseler EU-Zentrale offiziell Freude über die Enthüllungen. Die Aufdeckung der Panama Papers sei eine „exzellente Nachricht“, sagte der für Steuerfragen zuständige EU-Kommissar Pierre Moscovici. „Es gibt immer einen Kampf zu führen gegen die Steuerflucht, den Steuerbetrug, kriminelle Verhaltensweisen und die Korruption.“

Auch der Sprecher von Kommissionschef Jean-Claude Juncker präsentierte sich in bester Laune. Juncker gehöre zu den Vorreitern des Kampfs gegen die Steuerflucht, behauptete er frech – dabei ereilte den Luxemburger gleich zu Beginn seiner Amtszeit ein eigener Steuer­skandal. Bis heute ist ungeklärt, welche Rolle Juncker in seiner Amtszeit als Premier in Luxemburg in der LuxLeaks-Affäre gespielt hat.

Nun kommt auch noch ein zweiter EU-Kommissar in die Schlagzeilen: Energie- und Klimakommissar Miguel Cañete. Zwar taucht sein Name nicht direkt in den Panama-Papieren auf, wohl aber der seiner Frau, Micaela Domecq ­Solís-Beaumont. Sie soll über Vollmachten bei der 2005 in Panama gegründeten Briefkastenfirma Rinconada Investments Group verfügen, meldet der Fachdienst EUobserver.

Mit Briefkasten­firmen können ­Geldflüsse leicht ­verschleiert werden

Cañete rechtfertigt sich: Er habe mit den Geschäften seiner Frau nichts zu tun, die Konten seien strikt getrennt. Doch ein fader Beigeschmack bleibt, weitere Enthüllungen nicht ausgeschlossen.

Dies finden auch mehrere Europa-Abgeordnete, die der EU einen nachlässigen Umgang mit Steuerflüchtlingen vorwerfen. Die Niederlande, die die derzeitige EU-Ratspräsidentschaft innehat, und weitere EU-Staaten hätten Doppelbesteuerungsabkommen mit Panama geschlossen, kritisiert Fabio De Masi von der Linken. Deutschland unterhalte Doppelbesteuerungsabkommen mit den Jungferninseln. „Gleichzeitig will die Juncker-Kommission Steueroasen außerhalb der EU, wie Panama, von der Konzernberichterstattung für multinationale Konzerne ausnehmen“, so De Masi weiter. „Das ist ein Skandal.“

Grundsätzlicher wurde der finanzpolitische Sprecher der Grünen im Europaparlament, Sven Giegold. „Die Enthüllungen zeigen, dass es zurzeit keine funktionierende Kontrolle von Geldwäsche und Korruption im europäischen Finanzsystem gibt.“ Die EU-Mitgliedstaaten ermöglichten wohlhabenden Eliten, ihr Geld in Drittländern verschwinden zu lassen und so Steuerzahlungen im Inland zu umgehen.

Immerhin scheint der Skandal nun einige EU-Staaten aufzurütteln. So kündigten Frankreichs Staatschef François Hollande und Österreichs Kanzler Werner Faymann an, den Enthüllungen nachzugehen und gegebenenfalls Strafverfahren einzuleiten. Und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sah sich in seinem Kampf gegen Steueroasen bestätigt. Die Veröffentlichungen über die Panama Papers seien ein „Zuspiel in einem laufenden Spiel“, sagte sein Sprecher Martin Jäger. „Wir werden den Ball aufnehmen.“