Flüchtlinge

Wer es jüngst nach Griechenland geschafft hat, muss jetzt zurückin die Türkei. Dafür will die EU Syrer aus der Türkei aufnehmen

Korken auf der Flasche

Türkei-Deal Das hatdie EU mit der Türkei verabredet

BERLIN taz | Alle Flüchtlinge, die seit dem 20. März irregulär in Griechenland angekommen sind, werden in die Türkei zurückgeschickt. Im Gegenzug erklärt sich die Europäische Union bereit, der Türkei syrische Flüchtlinge abzunehmen. Das Ganze funktioniert nach dem 1:1-Prinzip. Für jeden Syrer, der aus Griechenland zurück in die Türkei überführt wird, darf ein Syrer legal in die EU einreisen. Dieses Verfahren haben die 28 EU-Mitgliedstaaten vor drei Wochen bei einem Gipfeltreffen mit der Türkei verabredet.

Was ist das Ziel? Der Plan soll kriminellen Menschenhandel unterbinden. Bisher zahlen Flüchtlinge gut organisierten Schleppern bis zu 2.000 Dollar für die Überfahrt von der Türkei nach Griechenland. Diese Reise über die Ägäis ist lebensgefährlich. Die Schlepper setzen Dutzende Flüchtlinge in überladene Schlauchboote, die immer wieder kentern. Allein in den ersten drei Monaten dieses Jahres sind über 300 Menschen im Mittelmeer ertrunken. Die Regierungschefs hoffen auf einenabschreckenden Effekt. Das Kalkül: Wenn alle Flüchtlinge zurückgeschickt werden, wird niemand mehr für die Überfahrt zahlen.

Müssen wirklich alle Flüchtlinge zurück in die Türkei? Nein, nicht alle – aber die meisten. Es soll Schnellprüfungen in Griechenland geben. Wer nachweisen kann, dass er in seiner Heimat oder in der Türkei politisch verfolgt wird, darf in Europa bleiben. Er genießt Schutz nach dem europäischen Asylrecht, das in Deutschland zum Beispiel der Paragraf 16a des Grundgesetzes regelt. Dies betrifft nur eine Minderheit. Die meisten Flüchtlinge aus Syrien fliehen nicht vor politischer Verfolgung, sondern vor Krieg. Sie bekamen bisher Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention – und müssen in Zukunft zurück. Für die legale Aufnahme von Syrern aus der Türkei in die EU sind bisher lediglich 72.000 Plätze vorgesehen.

Was sagen Kritiker? Pro Asyl nennt den Deal eine „Schande für Europa“. Er spiele syrische Schutzsuchende gegen Menschen aus anderen Ländern aus, argumentiert die Organisation. Flüchtlingen aus dem Irak, Afghanistan oder Eritrea verwehre die EU generell Schutz. Außerdem lasse sie außer Acht, dass die Türkei kein sicherer Drittstaat für Flüchtlinge sein könne.

Was heißt das für Deutschland? Bisher war die Route aus der Türkei über die Ägäis nach Griechenland das wichtigste Tor für Flüchtlinge nach Europa. Die Zahl der in Deutschland ankommenden Menschen ist längst deutlich gesunken, weil viele Länder an der Balkanroute ihre Grenzen scharf kontrollieren. Der Türkei-Deal wirkt wie ein Korken auf der Flasche – nun kommen kaum noch Flüchtlinge durch. Ulrich Schulte