piwik no script img

Die GesellschaftskritikCodename: Grinsekatze

Ein Schnappschuss, der das Netz eroberte Screenshot: taz

WAS SAGT UNS DAS? Handy-Foto mit Entführer und Sprengstoffgürtel? Warum nicht, dachte sich eine der Geiseln aus dem am Montag nach Zypern entführten Passagierflugzeug

Was in einem Menschen vorgeht, der in einem Flugzeug sitzt, das gerade entführt wird, ist wohl nur schwer nachzuvollziehen. Denkt er an den Tod, an Rettung, an die Familie? Zieht sein gesamtes ­Leben noch einmal an ihm ­vorüber? Der Brite Ben Innes dachte neben alldem wohl vor allem an seine Freunde. Süß, oder? Na ja.

Denn als er und zwei weitere Passagiere zusammen mit vier Besatzungsmitgliedern die ­letzten Verbliebenen in dem entführ­ten Airbus in Larnaka auf Zypern waren, bat er – mit Übersetzungshilfe einer Ste­wardess – den Entführer um ein ­gemeinsames Handyfoto. Das schickte er an seine Freunde und Mitbewohner.

„Ich dachte mir, wenn die Bombe echt ist, habe ich ohnehin nichts zu verlieren“, sagte Innes der britischen Boulevardzeitung Sun. „Also habe ich die Chance genutzt, mir das Ding genauer anzusehen.“

Agent Ben Innes begab sich also in eine brenzlige Situation à la James Bond, um die Bomben­attrappe als solche zu enttarnen und ein Foto zur Identifikation des Entführers in die sozialen Netzwerke zu senden. Vielleicht sogar im Auftrag Ihrer Majestät?

Aber mal ehrlich, war der Mann lebensmüde oder einfach nur sensationsgeil? Beim Gedanken, nichts zu verlieren zu haben, ging er auf Tuchfühlung mit dem Entführer statt seinen Lieben ein paar letzte Worte zu schicken. Wenn der Entführer tatsächlich das ganze Flugzeug in die Luft gejagt hätte, wäre dieses Grinsekatzenfoto das letzte Zeugnis des Lebens von Ben Innes gewesen. Immerhin hat der Möchtegernagent nicht die Sonnenbrille aufgesetzt. job

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen