Künstler am Flipper

Kunst-Spiel Bei der „PainStation“ tut das Verlieren richtig weh: Im Museum für Kommunikation ist ein Überblick über die Werke der Künstlergruppe ////////fur//// zu sehen

In der „facebox“ können sich zwei Menschen unter Ausschluss der Öffentlichkeit und auf engstem Raum miteinander anfreunden Foto: //////////fur//// art entertainment interfaces Morawe/Reiff

von Tilman Baumgärtel

Manche Knöpfe schreien geradezu danach, gedrückt zu werden. So wie der am Eingang der Ausstellung „No Pain No Game“ im Museum für Kommunikation, der ersten Einzelausstellung der Künstlergruppe /////////fur////. Auch wenn über dem Knopf eine Mausefalle droht – irgendwie können die meisten Besucher doch nicht die Finger davon lassen. (Was auf Knopfdruck passiert, behalten wir an dieser Stelle mal für uns.)

Von der Faszination des Knöpfchendrückens handelt im Grunde die ganze Ausstellung, die nach Stationen in verschiedenen osteuropäischen Goethe-Instituten nun in Berlin zu sehen ist – vom Knöpfchendrücken und seinen Folgen: Eine Mausefalle schnappt zu oder auch nicht. Eine Deckenlampe kann per Knopfdruck nur aus, aber nicht wieder angeschaltet werden (dafür braucht man ein Smartphone). Und wer zur falschen Zeit auf den Knopf drückt, kriegt einen gewischt.

Denn in den interaktiven Arbeiten von Tilman Reiff und Volker Morawe geht es immer wieder um das Verhältnis von Technik und Welt. Darum, was wirklich ist und was apparative Simulation und wie man das eine mit dem anderen verbindet. Besonders drastisch auf den Punkt bringt das ihre Arbeit „PainStation“, wo Computerspielen zur Abwechslung mal wirklich wehtun kann. Normalerweise kann man im Game Tausende Tode sterben, bei Ballerspielen erschossen oder bei Rennspielen aus der Bahn fliegen, ohne dass es für den Spieler die geringsten Konsequenzen hätte. Doch wer bei der „PainStation“ danebenhaut, wird dafür physisch bestraft – nicht in der Virtual Reality, sondern in der realen Realität. Wenn man bei einer Partie des Computerspielklassikers „Pong“ den Ball verfehlt, kriegt man leichte Stromschläge, einen Peitschenhieb auf die Finger oder Hitzestöße in die Handfläche. Das steigert sich so lange, bis es wirklich Brandblasen oder Wunden auf den Händen hinterlässt. Autsch!

Endlich sich selbst fühlen

Ausgedacht haben sich die beiden Künstler die Arbeit, als sie 2001 Studenten an der Kunsthochschule für Medien in Köln waren. Seither ist die „PainStation“ weit gereist. Im Museum of Modern Art in New York war sie und in der Harald Schmidt Show, bei Computerspielmessen ebenso wie in einer Ausstellung über den Grafen Sacher-Masoch – den Großvater des Masochismus – in dessen Geburtsstadt Graz. Sowohl bei Hacker- wie Sado-Maso-Partys ließen sich Besucher von der Spielkonsole martern.

Irgendwie passe das zu einem Zeitgeist, in dem Entfremdung und Alltagslangeweile durch immer extremere Erfahrungsmöglichkeiten kompensiert werden, finden die Künstler: „Auch mit der ‚PainStation‘kann man sich endlich mal wieder selbst fühlen.“ Zwar gibt es inzwischen Games für die Wii-Konsole oder das Kinect-Modul von Microsoft, die ebenfalls auf Körperbewegungen der Spieler reagieren. Aber so qualvoll zu Ende gedacht wie die „PainStation“ sind die nicht. Schmerzhafte Wirklichkeit statt Computersimulation: In einer Welt, in der viele ihre Umwelt inzwischen wohl eher via Google-Maps-App auf dem Handy-Bildschirm als über eigene Beobachtungen wahrnehmen, ist das von noch größerer Aktualität als zu der Zeit, als die Arbeit entstand. Die muss man nun wohl einen Klassiker der Medienkunst nennen.

In Berlin steht die „PainStation“ neben neun anderen Arbeiten, die immer wieder den Körper zum Eingabegerät für Maschinen machen. Ob das alles immer Kunst ist, kann man streiten; die Macher sprechen beim Presserundgang immer wieder von „Spielereien“: Aus einem Sandsack kann man Melodien herausprügeln oder durch Singen kleine Roboter steuern.

Bei einer Arbeit steckt der Kopf mitten in einem Flipper, und bei der Vorführung überkommt Künstler Volker Morawe noch einmal die Begeisterung für die inzwischen historischen Spielgeräte: „Als Kind fand ich Flippern so toll, aber ich hatte nie genug Geld.“ Vielleicht ist das ja die beste Beschreibung für das Projekt von /////////fur////: bessere Flipper bauen.

Bis zum 26. Juni im Museum für Kommunikation: Di. 9–20, Mi., Do., Fr. 9–17, Sa, So. 10–18 Uhr