Klamme Klagen

Konzert Michael Gira mit seinen dunklen Nachtschattenliedern in der Volksbühne

Einerseits kennt man Michael Gira als Musiker, der das Wall-of-Sound-Konzept von Phil Spector radikal weitergedacht hat und mit seiner Band, den Swans, die Musik dabei zu gewaltigen Klagemauern aufzuschichten weiß. Mit einem rauschhaften, bei Konzerten den Körper brachial bedrängenden Lärm.

Daneben kommt das Swans-Mastermind immer auch mal ohne seine Band auf die Bühne. Allein und nur mit einer akustischen Gitarre. Etwas leiser wird es dabei dann, aber deswegen nicht weniger intensiv.

Was so bereits mal in der Volksbühne zu hören war, wo Michael Gira auch am Donnerstagabend wieder gastierte. Allein, mit seiner Gitarre. Und klamm und heimlich war da auch noch eine heftige Anschuldigung dabei, mit der Michael Gira derzeit leben muss. Ein Vergewaltigungsvorwurf, den eine Musikerin gegen ihn erhoben hat. 2008 soll der Vorfall gewesen sein. Ende Februar dieses Jahres wurde der Vorwurf in der Musikpresse durchgereicht. In einem Statement bestätigte Gira den sexuellen Kontakt, widersprach aber dem Vergewaltigungsvorwurf seiner Kollegin. Und sagte seine beim Aufkommen der Auseinandersetzung gerade anstehenden Konzerttermine in Australien ab.

Nun ist er wieder unterwegs auf Tour. In Berlin spielte er dabei auch ein neues Lied, auf dem nächsten Swans-Album soll es erscheinen. Ein Klagelied, das er für seine Frau geschrieben hat, in Erinnerung an eine traumatisierende Belästigung, die sie vor einigen Jahren erfahren habe. Gira erzählte es in der Vorstellung des Liedes. Die Vorwürfe gegen ihn thematisierte er dabei nicht.

Und doch wollte man im Konzert so Signalworte in den Nachtschattenliedern von Michael Gira, in denen eine Qual wohnt und eine Wut, wie mit Untertönen hören, wenn er sie in seinem statischen, insistierenden Gesang aus sich herausschrie, „amnesia“, „lunacy“. „innocence“ auch.

In der musikalischen Swans-Logik, gestützt von einem prägnanten Klangschraffenspiel an der Gitarre, bekam diese Stimme etwas dröhnend Überpersönliches, als ob in dem Moment gerade ein Gesetz in Stein gemeißelt werden müsse. Jedenfalls existenzielle Angelegenheiten. Immer weiter nachlegend, bohrend, nicht nachlassend in seiner Unerbittlichkeit.

Was einem dann in dem steten Existenzialismus ganz unentspannt auch auf die Nerven gehen konnte. Thomas Mauch