Putins neue Privatarmee

Russland Eine Nationalgarde soll das Land gegen innere Bedrohungen schützen. Dadurch gerät das Zusammenspiel der Sicherheitsorgane aus dem Gleichgewicht

Mit der inneren Sicherheitslage unzufrieden: Präsident Wladimir Putin Foto: Alexander Zemlianichenko/reuters

Aus Moskau Klaus-Helge Donath

Russlands Präsident Wladimir Putin hat die Perspektive gewechselt. Nach zwei Jahren Geopolitik an der ukrainischen und syrischen Front kehrte der Kremlchef vergangene Woche mit einem Paukenschlag in die russische Innenpolitik zurück.

Per Federstrich hob er mit der Schaffung einer Nationalgarde eine neue „Megastruktur“ aus der Taufe. 400.000 Mann könnten demnächst bei der Nationalgarde in Diensten stehen. Sie ist gedacht als Schutztruppe gegen alle denkbaren inneren Gefahren und Bedrohungen Russlands. Vor allem aber soll sie zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens und des Terrorismus eingesetzt werden, verlautete aus dem Kreml.

Die Nationalgarde wird nicht neu rekrutiert. Sie soll sich aus Einheiten und Truppenteilen des Innenministeriums und Kräften der Polizei zusammen­setzen. Dazu gehören die schnelle Eingreiftruppe SOBR, die Spezialeinheit OMON sowie die Truppen des Innenministeriums.

Die neue Superbehörde wurde in aller Stille vorbereitet. Offensichtlich sei sie Russlands „asymmetrische Antwort“ auf die Enthüllungen der Panama Papers desselben Tages, witzelte das Boulevardblatt Moskowskij Komsomolets.

Klar ist, die wirtschaftlichen Engpässe nötigen den Kreml zum Sparen. Die Reform wird auch als Mittel dargestellt, Überhänge in den Sicherheitsstrukturen zu kappen. Die zuvor selbstständige föderale Drogenkontrolle und der Migrationsdienst werden wieder dem Innenministerium zugeschlagen.

Dennoch gehören das Innenministerium und der Geheimdienst FSB durch die neue Aufgabenverteilung zu den Reformverlierern. Deshalb wurden die Maßnahmen geheim gehalten. Kritiker glauben, dass die Nationalgarde ein Instrument ist, mit dem sich der Kremlchef gegen Unwägbarkeiten wappnen will. Nur drei Prozent der Hörer des Senders Echo Moskau waren überzeugt, dass die neue Garde der Verbrechensbekämpfung diene.

400.000 Mann könnten bei der Nationalgarde in Diensten stehen

In diesem Jahr finden Dumawahlen statt, gleichzeitig zieht die wirtschaftliche Krise weitere Kreise und ein Ende ist nicht abzusehen. Bislang regt sich kein Protest, doch der Kreml ist besorgt. Eigentlich zählen auch die 4 Millionen Mitarbeiter aus den Sicherheitsstrukturen zu den Stützen des Putin-Regimes. Dennoch scheint der Kremlchef mit der inneren Sicherheitslage unzufrieden zu sein.

Auch die Ernennung Victor Solotows zum Chef der Nationalgarde unterstreicht die Verunsicherung. Die Garde untersteht Putin, sie ist dessen „leibgwardija“ – wie es auch im Russischen heißt. Solotow war bis 2013 Putins Chefbewacher. „Generalissimus“ nennt ihn der engere Kreis des Präsidenten. Solotow soll wie kein anderer Putins Vertrauen genießen. Das Innenministerium soll im Vergleich zu anderen Behörden eine buntere Sammlung von Meinungen beherbergen. Im Ernstfall könnte das zum Problem werden, vermuten Beobachter. Auch der Militärexperte Alexander Golts gibt zu bedenken, dass sich beim Putsch gegen den sowjetischen Präsidenten Gorbatschow 1991 Offiziere weigerten, auf das Volk zu schießen. Das sei unvergessen.

Die Nationalgarde bringt die Balance zwischen den Sicherheitsorganen durcheinander. Das Innenministerium ist geschwächt und dem Geheimdienst FSB erwächst ein mächtiger Rivale. Man könnte meinen, der Feind stehe im Innern und nicht die Nato flöße Moskau Ängste ein.