Bis zur Elbe und nicht weiter

A20 Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig verhandelt über sieben Klagen gegendie Küstenautobahn samt Elbtunnel zwischen Schleswig-Holstein und Niedersachsen

Vom Aussterben bedroht, wenn der Tunnel kommt: Die Elbfähre zwischen Wischhafen und Glückstadt Foto: Marcus Brandt/dpa

von Sven-Michael Veit

Seit dem gestrigen Montag verhandelt das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig über sieben Klagen gegen ein Kernstück der Autobahn 20: einen Elbtunnel zwischen Schleswig-Holstein und Niedersachsen. Die Naturschutzverbände Nabu und BUND, der Landesnaturschutzverband, die Gemeinde Kollmar, der Kreis Steinburg, ein Sielverband, der Fährbetrieb Glückstadt und Privatleute sind gegen die Planfeststellung Schleswig-Holsteins für die Elbquerung vor Gericht gezogen.

Die sieht einen 5,6 Kilometer langen Tunnel zwischen Glückstadt und Drochtersen vor. Noch pendeln dort die Elbfähren, deren Schicksal mit dem Tunnelbau wohl besiegelt wäre. Gegen den Planfeststellungsbeschluss des Landes Niedersachsen wird in einem weiteren Verfahren ebenfalls geklagt. Die Kläger halten das Milliardenprojekt für weder notwendig noch finanzierbar. Sie stellen die Tunnelsicherheit infrage, und die Naturschützer monieren besonders, das Bauvorhaben beeinträchtige wichtige Vogelrastzonen und geschützte Marschgebiete erheblich.

Als wichtigste Trasse der „Verkehrsprojekte Deutsche Einheit“ war die Autobahn A 20 lange weitgehend unumstritten. Seit 2009 verbindet sie die Uckermark an der polnischen Grenze mit der A 1 bei Lübeck, mehr als 300 Kilometer immer parallel zur Ostseeküste (siehe Kasten). In Schleswig-Holstein aber kommt der Bau nicht so recht voran. Bei Bad Segeberg stockt der Bau wegen eines Baustopps, den das Bundesverwaltungsgericht Ende 2014 verhängt hatte: Bei der Planung war Deutschlands größtes Winterquartier für seltene Fledermäuse im Segeberger Kalkberg nonchalant ignoriert worden. Ein paar Kilometer weiter südlich werden die Planungen durch einen Seeadlerhorst aufgehalten, den die Planer übersehen hatten.

Und nun also auch noch der neue Elbtunnel bei Glückstadt: Die Naturschützer sind davon überzeugt, dass Natur- und Umweltschutz in den Planungen unzureichend beachtet wurden. Die A 20 solle in einem für die Natur hochsensiblen Gebiet weitergebaut werden. Zudem seien auch in diesem A 20-Abschnitt wie bei Bad Segeberg die Fledermausbestände fehlerhaft erfasst und unterbewertet worden.

Der Kreis Steinburg und die Gemeinde Kollmar wiederum halten die Gefahrenabwehr im Tunnel für unzureichend gewährleistet. Die hierfür vorgesehene freiwillige Feuerwehr Kollmar sei damit völlig überfordert. Gemeinde und Kreis fordern die Einrichtung einer Werksfeuerwehr. Sie erwarten viel zu viele Einsätze für die freiwillige Feuerwehr mit ihren nicht einmal 40 Mitgliedern.

Die 1998 als „Ostseeautobahn“ zwischen der polnischen Grenze und Lübeck geplante A 20 soll auf 542 Kilometern Länge zu einer „Küstenautobahn“ bis an die Nordsee ausgebaut werden.

In Betrieb sind 345 Kilometer von der Uckermark bis kurz vor Bad Segeberg.

In Planung befinden sich weitere 30 Kilometer bis zur A 7 bei Bad Bramstedt.

Angedacht sind weitere 40 Kilometer bis zur Elbe mit einem 6,5 km langen Tunnel zwischen Glückstadt und Wischhafen auf dem niedersächsischen Ufer.

Die Fortsetzung soll über 121 Kilometer in Niedersachsen über Bremervörde zum bestehenden Wesertunnel der B 437 südlich von Bremerhaven führen und weiter bis Westerstede an der A 28 nordwestlich von Oldenburg.

Am ersten Prozesstag in Leipzig signalisierten die Planungsbehörden Entgegenkommen. Es solle mehr Notausgänge als bisher geplant geben, die für Rettungskräfte nutzbar und befahrbar sind, erklärten Vertreter des Landesamtes für Straßenbau und Verkehr Schleswig-Holstein. Fünf sogenannte Quersteige, über die man von einer Tunnelröhre in die andere gelangt, sollen für Rettungskräfte befahrbar werden. Bislang waren nur zwei der Notausgänge so geplant worden. Auch die Tauglichkeit der Lüftungsanlage ist noch strittig. Das Kieler Verkehrsministerium jedoch will den konkreten Brandschutz am liebsten erst vier bis sechs Jahre vor Inbetriebnahme des Tunnels planen – also vermutlich erst Mitte des kommenden Jahrzehnts.

„Wir sind zuversichtlich, weil wir bei den Planungen gut und gründlich gearbeitet haben“, behauptete dennoch der schleswig-holsteinische Verkehrsstaatssekretär Frank Nägele in Leipzig. „Die A 20 ist und bleibt eine wichtige Verbindungsachse für Schleswig-Holstein, um den Verkehrsknotenpunkt Hamburg zu entlasten und die Westküste besser anzubinden“, sagte er. „Dass dies ein besonders natursensibles Vorhaben ist, ist uns bewusst, deshalb planen wir sorgfältig.“

Die Verhandlung wird heute fortgesetzt. Wann ein Urteil gesprochen wird, ist noch offen.