Weg frei nach Kenia

Sachsen-Anhalt Mit der breiten Zustimmung der SPD können nun die schwarz-rot-grünen Koalitionsverhandlungen beginnen

Wartet auf seine Koalitionspartner: Noch- und Wieder-Ministerpräsident Reiner Haseloff Foto: Jens Wolf/dpa

Aus Magdeburg Michael Bartsch

In Sachsen-Anhalt ist der Weg für Koalitionsverhandlungen zwischen CDU, SPD und Grünen frei. Am Sonnabend stimmten auf einem außerordentlichen Parteitag der Landes-SPD in Halle 90 von 100 Delegierten der Aufnahme von förmliche Verhandlungen zu. Vorausgegangen waren zweiwöchige Sondierungsgespräche. Die Union mit dem alten und wahrscheinlichen neuen Ministerpräsidenten Reiner Haseloff schloss eine tolerierte Minderheitsregierung aus und lud zu Koalitionsverhandlungen ein. Bereits am Freitagabend hatte ein kleiner Parteitag der Bündnisgrünen ohne Gegenstimmen bei nur drei Enthaltungen für Koalitionsverhandlungen gestimmt. Die sogenannte Kenia-Koalition bietet die einzige Möglichkeit einer Regierungsbildung ohne Linke oder AfD.

Das Votum der SPD-Delegierten für eine Fortsetzung einer Koalition mit der Union für weitere fünf Jahren scheint überwältigend, war aber umstritten. Am 13. März büßten die Sozialdemokraten zwischen Altmark und Burgenland fast die Hälfte ihrer Stimmen ein und sackten auf 10,6 Prozent. Deshalb sei eigentlich eine Erneuerung in der Opposition nötig, meinten in Halle einige Delegierte. Auch die stellvertretende Landesvorsitzende Katja Pähle, die nach dem Rücktritt von Spitzenkandidatin Katrin Budde die Sondierungsgespräche geleitete hatte, räumte ein, als Juniorpartner in der kommenden Regierung bestehe erneut das Risiko, an Profil zu verlieren. Gleichzeitig forderte Pähle, auffällig schwarz-rot gekleidet, aber die Verantwortung gegenüber dem Land ein. Andernfalls drohende Neuwahlen seien für die SPD wenig erfolgversprechend und personell und finanziell nicht zu stemmen.

Die Parteitagsdebatte war geprägt von kritischer Rückschau und Appellen an künftig vereintes Handeln. So wurde die schuldenfreie Politik des scheidenden Finanzministers Jens Bullerjahn zwar gelobt. Sein Sparkurs auch in Bildungs- und Sozialfragen habe der SPD aber nicht gut getan. Überdies habe sie ihre Erfolge als Juniorpartner der CDU im Wahlkampf schlecht verkauft. Größtes Manko aber sei mangelnde Bürgernähe gewesen.

Man müsse die Probleme der Menschen ernst nehmen und nicht all jene von vornherein als rechts abstempeln, die mit ihrer Unzufriedenheit nun von der AfD eingefangen worden sind. Da sei bislang zu viel „von oben dirigiert worden“, wurde verhaltene Kritik an der Ex-Spitzenkandidatin Katrin Budde laut. Ebenso oft wurde ihr aber auch für 26 Jahre Arbeit in der Sozialdemokratie gedankt.

Der Kreis der sogenannten „Buddisten“ ist im neu gewählten Landesvorstand stark geschrumpft: Lediglich ihr Nachfolger im Fraktionsvorsitz, der Gewerkschafter Andreas Step­puhn, gilt als ihr Vertrauter.

Mit einer Sechs-­Punkte-Agenda hofft die SPD, aus dem Tief zu kommen

Der frühere Landesvorsitzende und Innenminister Holger Hövelmann forderte in einer geradezu väterlichen Ansprache dazu auf, „ein Klima zu schaffen, wo Kritik nicht nur erlaubt, sondern erwünscht ist“. Und der Kandidat für den Landesvorsitz, der Magdeburger Bundestagsabgeordnete Burkhard Lischka, forderte in seiner Bewerbungsrede eine Abkehr „vom Lagerdenken und vom Flügelstreit“.

Das 96-Prozent-Ergebnis, mit dem Lischka schließlich gewählt und mit langem Applaus bedacht wurde, spiegelt den Wunsch nach Einigkeit wieder, um aus dem historischen Tief in Sachsen-Anhalt herauszukommen.

Ihre Sechs-Punkte-Agenda will die SPD in den am Montag beginnenden Verhandlungen deshalb durchsetzen. Mehr Lehrer und Polizisten sollen eingestellt, die Hochschulen sicherer finanziert werden. Die kommunale Finanzausstattung soll um 100 Millionen Euro aufgestockt, ein Investitionsprogramm aufgelegt werden. Das geforderte kommunale Beschäftigungsprogramm klingt sehr nach der Linken, während man bei Demokratieförderung und beim bürgerschaftlichen Engagement an einem Strang mit dem grünen Partner ziehen dürfte. In der Woche nach dem 17. April sollen die Verhandlungsergebnisse noch einmal auf einem Parteitag debattiert werden.