Das Ding, das kommt
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Die Bürokratie lässt sich heutzutage nicht mehr automatisch am grauen Flanell ihrer Agenten erkennen Foto: Archiv

Papierkram, vermaledeiter

Der Mann weiß, wie man einsteigt: „Was als ‚gemäßigte‘ linke Lösung für soziale Probleme jeglicher Art präsentiert wird – radikale linke Lösungen sind fast überall von vornherein ausgeschlossen –“, so heißt es zu Beginn von David Graebers neuem Buch, „stellt eine alptraumhafte Verbindung der schlimmsten Elemente der Bürokratie mit den schlimmsten Elementen des Kapitalismus dar.“

Dass er sich gern mit dem Kapitalismus anlegt – genauer: mit mancher gängigen Vorstellung davon – weiß die Welt, seit der bekennende Anarchist und studierte Anthropologe vor vier Jahren mit einem Buch über „Schulden“ einen überraschenden Bestseller landete. Im Quasi-Nachfolger widmet sich Graeber jetzt der anderen Hälfte des eingangs erwähnten Höllen-Zwillings: „Bürokratie“ liefert nun aber – und das schreibt er ebenfalls noch in der Einleitung – ausdrücklich keinen Entwurf zu einer linken Bürokratiekritik – an der es dem Autor zufolge mangelt, während die Rechte über einen verfügt; dass der Verlag einen punktgenau das Gegenteil behauptenden Klappentext verfassen ließ, nun, das sollte man wohl nicht dem Autor zur Last legen.

Was sich sehr wohl problematisieren lässt, und das hat ja auch der taz-Rezensent getan, ist beispielsweise, wie nebulös das ganze, immerhin 300 Seiten starke Buch hindurch bleibt, was sie eigentlich sei, diese vermaledeite Bürokratie: Irgendwie Papierkram, klar, der paradoxerweise ausgerechnet überall da überhand nehme, wo angeblich „liberalisiert“ werden solle; andererseits aber ist sie heutzutage auch nicht mehr ohne Weiteres identisch mit jenen grau gewandeten Beamtenexistenzen, die so lange etwa Karikaturisten als bequeme Zielscheibe dienten. Umso praktischer, wenn Graeber nun ein erstes Mal im Norden liest: Da kann man ihn selbst fragen. ALDI

Lesung und Gespräch mit Jakob Augstein: Di, 5. April, 19 Uhr, Göttingen, Altes Rathaus