Brasilien Das Amtsenthebungsverfahren gegen Präsidentin Dilma Rousseff kommt voran. Hunderttausende demonstrieren dagegen
: „Es wird keinen Putsch geben!“

Präsidentin sein hat schon mal mehr Spaß gemacht Foto: Eraldo Peres/ap

aus Rio de Janeiro Andreas Behn

In ganz Brasilien haben am Donnerstag Hundert­tausende für die angeschlagene Präsidentin Dilma Rousseff demonstriert. „Verteidigung von Demokratie und Rechtsstaat“ und „Não vai ter golpe“ (Es wird keinen Putsch geben) skandierten die Menschen in allen großen Städten des Landes. Viel weiter reicht der Konsens nicht, denn viele machten auch deutlich, dass sie die Politik der Regierung keineswegs unterstützen.

Brasilien steckt in einer schweren Wirtschaftskrise, und mangels politischer Basis im Parlament ist die Präsidentin so gut wie handlungsunfähig. Zudem ist ihre Arbeiterpartei PT tief in den Korruptionsskandal um den halbstaatlichen Ölkonzern Petrobras verstrickt.

Rousseff selbst verglich am Donnerstag das Klima der Intoleranz mit der Nazizeit und warf ihren Gegnern erneut einen schleichenden Staatsstreich vor.

Seit Rousseffs Wiederwahl 2014 sucht die Opposition nach Wegen, Rousseff vorzeitig aus dem Amt zu drängen – mit tatkräftiger Unterstützung der Massenmedien und einiger Richter, die aus ihrem Groll auf die PT-Regierung keinen Hehl machen. Die Regierungsgegner, die seit Monaten ebenfalls zu Hunderttausenden auf die Straße gehen, glauben fest an ­einen Neuanfang. Linke sprechen von Angst und einem Klima des Hasses und der Gewalt, mit dem das Land in zwei Lager gespalten werde.

Wichtigster Trumpf der Regierungsgegner ist das Amtsenthebungsverfahren, das derzeit von einer Parlamentskommission geprüft wird. Darin werden Rousseff Regelverletzungen im Umgang mit Staatsgeldern und illegale Wahlkampffinanzierung vorgeworfen. Für eine Verwicklung der Präsidentin in den Korruptionsskandal gibt es bisher allerdings keine Anhaltspunkte. Die Initiatoren des Verfahrens bezeichneten bei einer Anhörung am Donnerstag das Verhalten Rousseffs dennoch als Verbrechen und hinreichenden Grund für ihre Absetzung. Finanzminister Nelson Barbosa konterte vor der Kommission, es gebe weder Fehlverhalten noch Rechtsbruch. Im Übrigen hätten auch alle Regierungen vorher die gleichen Methoden benutzt.

Die Chancen für eine Amtsenthebung stehen dennoch gut, seitdem Rousseffs wichtigster Koalitionspartner PMDB die Regierung Anfang der Woche verlassen hat. Auch wenn sich sechs der sieben PMDB-Minister bislang weigern, ihre Posten zurückzugeben, ist die Opposition ihrem Ziel einer Zweidrittelmehrheit im Parlament näher gekommen. Bereits im Mai könnte Rousseff gezwungen werden, ihr Amt für 180 Tage ruhen zu lassen. Vizepräsident und PMDB-Chef Michel Temer wäre dann Interimspräsident.

Rückenwind erhielt Rousseff am Donnerstag durch eine Entscheidung des Obersten Gerichts zum Korruptionsverdacht gegen ihren Amtsvorgänger Lula da Silva. Es entzog dem umstrittenen Untersuchungsrichter Sérgio Moro, der Lula bereits kurzzeitig festnehmen und zum Verhör abführen ließ, den Fall und wird selbst ermitteln. Zudem urteilten die Richter, dass das Abhören und Veröffentlichen eines Telefonats zwischen Rousseff und Lula durch Moro nicht rechtens war.