Von Storch hofft auf den Kalifen

AFD Im August soll der türkische Präsident Erdoğan bei einer Veranstaltung der Rechtspopulisten auftreten. Hintergrund ist das Video des NDR, gegen das die Berliner AfD-Chefin Beatrix von Storch protestiert hatte

Erdoğan bei einem Berlinbesuch im Februar 2014. Im Sommer kommt er schon wieder an die Spree Foto: Hermann Bredehorst/Polaris/laif

von Uwe Rada

Die Berliner AfD bekommt ungewöhnliche Wahlkampfunterstützung. Nach Informationen der taz wird der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan bei einer Wahlkampfveranstaltung der Rechtspopulisten auftreten. Die Veranstaltung soll im August stattfinden. Der Ort ist noch unklar. Bei seinen letzten Auftritten in Deutschland konnte Erdoğan regelmäßig große Hallen und Stadien füllen.

Hintergrund der Wahlkampfhilfe ist der Protest der AfD gegen den NDR und sein Satirevideo „Erdowie, Erdowo, Erdoğan“. „Anstatt den türkischen Präsidenten der Lächerlichkeit preiszugeben, sollten wir die Bemühungen der Türkei unterstützen, Flüchtlinge von Europa fernzuhalten“, sagte Berlins AfD-Landeschefin Beatrix von Storch. Die AfD-Bundesvorsitzende Frauke Petry fand ebenfalls klare Worte: „Erdoğan ist der Hüter deutscher Sicherheitsinteressen, Merkel ist ein deutsches Sicherheitsrisiko.“ In dem Video der NDR-Satiresendung „Extra3“ hieß es zur Melodie von Nenas „Irgendwie, irgendwo, irgendwann“ unter anderem: „Ein Journalist, der was verfasst, das Erdoğan nicht passt, ist morgen schon im Knast.“ Und weiter: „Er lebt auf großem Fuß, der Boss vom Bosporus.“

Offenbar kamen die Worte von von Storch beim Kalifen vom Bosporus gut an. Im Gegensatz zu Politikern der CDU und SPD, die zu Erdoğan in den vergangenen Tagen vorsichtig auf Distanz gegangen waren, sind die Erklärungen der AfD Balsam für den dünnhäutigen Erdoğan. Und eine willkommene Gelegenheit, sich mit der Wahlkampfhilfe in die deutsche Innenpolitik einzumischen.

Am Sonntag hält die AfD einen Parteitag ab. Über den Ort schweigt sich der Landesverband bisher aus. Grund sind befürchtete Gegendemonstrationen.

Auf dem Parteitag geht es um das Wahlprogramm. Zur Abstimmung steht auch die Einladung an den türkischen Präsidenten Erdoğan.

Über die Aufstellung der Listen für die Wahl zum Abgeordnetenhaus am 18. September soll auf einem weiteren Parteitag entschieden werden.

Vorbild ist dabei wohl Russlands Präsident Wladimir Putin. Die ihm nahestehende Vaterlandspartei hatte vor einem Jahr die Führer rechtspopulistischer Parteien zu einem Kongress nach Sankt Petersburg eingeladen. Mit dabei war etwa Marie Le Pen, Chefin des rechten Front National in Frankreich. „Ziel ist die Destabilisierung der Regierungen in Westeuropa“, sagt die grünen Außenpolitikerin Marieluise Beck. Ein weiteres Beispiel war die Propagandaschlacht, die sich Russlands Außenminister Sergej Lawrow im Fall des russlanddeutschen Mädchens Lisa mit der Bundesregierung geliefert hat.

Wer den Auftritt Erdoğans eingefädelt hat, blieb zunächst unklar. Nach taz-Informationen hatte sich der türkische Botschafter in Berlin an die hiesige AfD gewandt. Eine Einladung an Erdoğan, hieß es, würde den zuletzt auf allen Kanälen verspotteten Präsidenten wieder aufwerten – und ihm eine unerwartete Propagandabühne bieten. Im Gegenzug, so hieß es weiter, habe von Storch den türkischen Botschafter Hüseyin Avni Karslıoğlu gebeten, sich bei Erdoğan für die Rückführung straffällig gewordener Jugendlicher einzusetzen, die keine deutsche Staatsbürgerschaft besitzen. Eine entsprechende Resolution soll auch beim AfD-Landesparteitag am Sonntag beraten werden.

Ein solcher „Märchen“-Deal zwischen Kalif und von Storch würde für beide Seiten einen Gewinn bedeuten. Erdoğan wäre zurück auf der politischen Bühne in Deutschland, und die AfD stünde erstmals auf der europäischen Bühne. Darüber hin­aus könnte die Partei auch bei eingebürgerten Wählern türkischer Herkunft buhlen.

„Wenn die Krimina­lität in Neukölln zurückgehen soll, müssen wir ungewöhnliche Wege gehen“

Beatrix von Storch, Berliner AfD-Chefin

Ganz pragmatisch ließ von Storch in einem Interview mit der Jungen Freiheit wissen: „Wenn die Kriminalität in Neukölln oder Marzahn zurückgehen soll, müssen wir ungewöhnliche Wege gehen.“ Sie kündigte an, Erdoğan und Russlands Präsidenten Putin nach den Wahlen vom 18. September ins Berliner Abgeordnetenhaus einladen zu wollen. „Das sind Autoritäts- und Respektspersonen, auf die die türkischen und russlanddeutschen Jugendlichen hören.“ Ganz unumstritten wird das allerdings nicht sein: Denn neben dem Flüchtlingsthema setzen starke Kräfte, darunter Bundeschefin Frauke Petry, auf eine Kampagne der AfD gegen den Islam.

Bei der letzten Umfrage erzielte die AfD mit 9 Prozent ihren bis dahin besten Wert in Berlin. Die Grünen im Abgeordnetenhaus verurteilten den geplanten Auftritt Erdoğans in Berlin scharf. „Da wächst zusammen, was zusammengehört“, sagte der innenpolitische Sprecher Benedikt Lux der taz. Er nannte eine Reihe von politischen Gemeinsamkeiten zwischen den deutschen Rechtspopulisten und der autoritären konservativ-islamischen Regierung in Ankara: „Gegen Abtreibungen, gegen Frauenrechte, gegen die Lügenpresse, gegen westliche Werte. Das ist der AfD offenbar wichtiger als das Wahlkampfthema Islam“, so Lux.