EU fordert Chinas Führerschaft

KLIMAPOLITIK Ratspräsident Reinfeldt kritisiert bisherige globale Anstrengungen. Für Kopenhagen müssten ehrgeizigere Minderungsziele auf den Tisch gelegt werden

China will Grundsatz der „gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortung“

VON NADINE MICHEL

Knapp eine Woche vor dem Startschuss für die Weltklimakonferenz in Kopenhagen hat die Europäische Union versucht, den Druck noch einmal zu erhöhen. Auf dem EU-China-Gipfel in Nanjing forderte EU-Ratspräsident Frederik Reinfeldt am Montag China, die USA und andere Länder auf, ehrgeizigere Klimaanstrengungen zu unternehmen. „Was an globalen Bemühungen auf den Tisch gelegt worden ist, ist nicht genug“, sagte der schwedische Ministerpräsident. „Es muss mehr getan werden.“

Reinfeldt appellierte an die historische Verantwortung der USA wegen der bereits ausgestoßenen Treibhausgase und des hohen Ausstoßes pro Kopf. Und auch China als weltweit größter Emittent müsse vorangehen. „Wir können das Problem des Klimawandels für die Menschheit nicht lösen, wenn China nicht Führerschaft zeigt und Verantwortung übernimmt“, sagte Reinfeldt.

Die chinesische Regierung bestand hingegen darauf, ihr Reduktionsziel sei bereits ein „bedeutender Beitrag“ zu den weltweiten Anstrengungen. Es müsse der Grundsatz der „gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortung“ gelten, so der chinesische Ministerpräsident Wen Jiabao.

In der vergangenen Woche hatte das Weiße Haus bekannt gegeben, dass US-Präsident Barack Obama mit konkreten Zielen zur Reduktion der Treibhausgasemissionen nach Kopenhagen reisen werde. Die USA wollten bis 2020 den Ausstoß um 17 Prozent gegenüber 2005 reduzieren. Im Vergleich zu 1990 entspräche dies einer Reduktion um 4 Prozent.

Einen Tag später legte China nach. Bis 2020 sollen pro Einheit des Bruttoinlandsprodukts 40 bis 45 Prozent weniger CO2 ausgestoßen werden als 2005. Klimaexperten zufolge wäre das ein Minus von 13 Prozent gegenüber dem Stand, der ohne gesetzliche Vorgaben erreicht würde („business as usual“).

Dem UN-Weltklimarat zufolge müssen die Industriestaaten bis 2020 ihre CO2-Emissionen um 25 bis 40 Prozent gegenüber 1990 reduzieren. Entwicklungsländer müssten ihren Ausstoß um 15 bis 30 Prozent gegenüber der „Business as usal“-Emissionen reduzieren.

Klimaexperte Stefan Krug von Greenpeace hält die Kritik von Reinfeldt deshalb für berechtigt. Die bislang vorgelegten Ziele der Industriestaaten würden zusammengerechnet weniger als 20 Prozent ergeben. Doch Krug gab auch zu bedenken, dass die EU selbst auch noch eine Schippe drauflegen müsse. Derzeit bietet die EU eine Minderung von maximal 30 Prozent. „Das EU-Angebot liegt am untersten Rand dessen, was nötig ist.“ Führerschaft müssten zwar alle zeigen, so Krug, „aber die EU sollte sich davon unabhängig machen, welche Schritte die anderen gehen“.