heute in hamburg
: "Sogwirkung ist Quatsch"

Kalt Zum Ende des Winternotprogramms erklärt die Linke, wie diese Hilfe überflüssig werden kann

Canzu Özdemir

Foto: dpa

27, studiert Politikwissenschaft und ist Sprecherin für Soziales der Bürgerschaftsfraktion von der Partei Die Linke.

taz: Frau Özdemir, was passiert mit den Obdachlosen, wenn das Winternotprogramm heute endet?

Cansu Özdemir: Sie können in Unterkünften wie dem Männerwohnheim Pik As übernachten. Bei über 1.000 Betroffenen reichen die Kapazitäten aber nicht. Die Menschen müssen also wieder auf der Straße schlafen, auch bei Wind und Wetter.

Wie wollen Sie das ändern?

Das Winternotprogramm muss überflüssig werden. Viele Obdachlose aus Osteuropa nutzen es, weil sie herkommen, um zu arbeiten, dann aber weder Wohnung noch Arbeit finden. Man kann diese Menschen nicht einfach zurückschicken. Zumal sie nun mal hier bleiben dürfen. Warum bekommt der Senat es nicht hin, die Menschen hier unterzubringen?

Wie kann er das denn hinbekommen?

Das Problem der Obdachlosigkeit löst man nicht, indem man nur das Winternotprogramm ausweitet und alle in Unterkünften unterbringt. Wir haben insgesamt einen Mangel an Sozialwohnungen. Der Senat hält aber am Drittelmix fest. Bei großen Bauvorhaben sollen also weiter je ein Drittel Eigentums-, Miet- und Sozialwohnungen entstehen. Wir lehnen das ab und fordern 50 Prozent sozialen Wohnungsbau und nicht nur ein Drittel.

Aber wäre das Hilfsprogramm dann nicht trotzdem noch notwendig?

Menschen werden immer in die Obdachlosigkeit geraten. Wir werden das Winternotprogramm weiterhin brauchen, aber nicht in der Größe. Wenn wir gegen Obdachlosigkeit kämpfen, brauchen wir das Programm in zehn bis 15 Jahren nicht mehr in der Form.

Ist der Wohnungsbau, wie Sie ihn fordern, finanziell überhaupt machbar?

Für Olympia hätten 200 Millionen Euro ab 2017 jährlich zur Verfügung gestanden. Warum kann man dieses Geld nicht in den sozialen Wohnungsbau investieren? Außerdem zeigt der steigende Bedarf, dass die Schuldenbremse ein Hindernis ist. Thüringen und Bayern haben sie bereits ausgesetzt.

Laut Sozialbehörde entstünde bei einer Erweiterung des Notprogramms eine Sogwirkung.

Das ist Quatsch! Menschen kommen nicht nach Hamburg, weil es hier ein super-tolles Winternotprogramm gibt. Das sind Menschen, die herkommen, keine Wohnung finden und dann aus der Not heraus diese Unterkünfte aufsuchen. Oder sie landen, wie ein Mann, den ich kennengelernt habe, durch einen Schicksalsschlag in der Obdachlosigkeit.

Interview: Leonie Habisch