Berlinmusik
: Reichtum ist heilbar

Musik als Mittel zur Weltverbesserung: Diesem künstlerisch-politischen Ideal kann man sich auf dem Wege der Agitation nähern – oder mit den, grob gesagt, richtigen Schwingungen. Der Berliner Saxofonist Uli Kempendorff glaubt an letztere Möglichkeit, wobei ihm Jazz und Improvisation besonders geeignet scheinen, um sämtliche Beteiligten, Musiker wie Publikum, zu heilen.

Uli Kempendorff engagiert sich als Musiker konsequenterweise auch praktisch, sei es bei der IG Jazz, deren Vorsitzender er von 2011 bis 2014 war, oder mit Musikworkshops an der Elfenbeinküste. Und mit seinem Quartett Field, in dem er mit dem Gitarristen Ronny Graupe, dem Bassisten Jonas Wester­gaard und dem Schlagzeuger Oliver Steidle zu erleben ist.

Field spielen eine offene, zugleich präzise artikulierte Form von Jazz, mit komplexen Melodien, denen man stets folgen kann, einem immer weiter mutierenden Swing, der einiges an Rhythmusgefühl erfordert, wenn man durchgehend mitwippen möchte, sich jedoch nie spröde-akademisch gibt. Stattdessen herrscht ein anarchisch-ironischer Ton, der sich nie an große Gesten verschenkt.

Die Mitmusiker, allen voran Ronny Graupe mit seinem filigran-beweglichen Spiel, verstehen es wie von selbst, auch einigermaßen verstiegene Einfälle so elegant und natürlich klingen zu lassen, dass man sich erst hinterher wundern mag, was man da gerade eigentlich für eine musikalische Wegstrecke zurückgelegt hat. „Heal the Rich“ richtet sich denn auch nur vordergründig an einen kleinen Personenkreis, in Wirklichkeit ist es gedacht für alle Menschen, die da Ohren haben zu hören.

Bewusstseinsveränderung und damit Weltveränderung ist auch ein Ziel, das sich das Berliner Duo Recent Arts für sein Debütalbum gesteckt hat. Der Musiker Tobias Freund und die Künstlerin Valentina Berthelon ließen sich von historischen astronomischen Darstellungen inspirieren, weil sie überzeugt sind, dass diese Bilder vom Universum bis heute einen starken Einfluss auf Menschen ausüben.

Musikalisch interpretiert Tobias Freund diese Bilder mit einem Programm, mit dem sich Klänge in Echtzeit bearbeiten lassen. Auf der Basis von Loops verändern sich die Klänge allmählich, erzeugen eine fließende Bewegung, die an die majestätischen Umlaufbahnen von Planeten erinnert. Ganz ohne Überwältigungspathos.

Tim Caspar Boehme

Uli Kempendorffs Field: „Heal the Rich“ (WhyPlayJazz), Release-Party 8. 4., Aufsturz

Recent Arts: „Recent Arts“ (Non Standard Productions)