„Jetzt ist Erfindungsreichtum gefragt“

Biobäuerin Christa Brockhaus-Henzler macht sich nicht viele Sorgen um ihr Geflügel. Aber die Verbraucher bräuchten nun mehr Aufklärung

taz: Frau Brockhaus-Henzler, Sie sind Biobäuerin, in einem Biobauernverband aktiv und verdienen Ihr Geld unter anderem mit Hühnern und Eiern. Was bedeutet für Ihren eigenen Hof das nun bundesweit verordnete Freilaufverbot für Geflügel?

Christa Brockhaus-Henzler: Auf unserem Hof ist das kein Problem. Für die Hühner haben wir sowieso schon einen Stall. Die Tiere wollen nachts immer rein – sie schützen sich so vor Raubtieren. Bei Gänsen und Enten ist das anders. Die bleiben am liebsten draußen. Doch haben wir davon nicht so viele. Wir haben sie in einem Bauwagen untergebracht. Aber es gibt Bauern, die haben 800 Gänse. Gänse sind das nicht gewohnt, eingesperrt zu sein. Die sind es gewohnt, viel Platz zu haben. Wenn sie jetzt eingesperrt sind, kann sie das aggressiv machen und das Brutverhalten beeinträchtigen. Bauern, die auf Gänse spezialisiert sind, sind auf so etwas nicht eingestellt. Die haben keinen Stall. Die können sich jetzt ja keinen Stall aus den Rippen schneiden.

Was machen diese Bauern dann?

Erfindungsreichtum ist gefragt. Dass die Verordnung kommt, war ja bereits seit etwa drei Wochen abzusehen. Da werden Gewächshäuser leer geräumt. Oder der Freilauf wird mit Netzen eingeschlossen. Das ist genehmigt. Es kommt nur auf die Maschengröße an. Hauptsache, Wildvögel kommen nicht durch. Bei der Maschengröße darf halt kein Spatz mehr durchpassen.

Halten Sie überhaupt die Stallpflicht für gerechtfertigt?

Das geschieht jetzt hauptsächlich zur Beruhigung des Verbrauchers. Die Gefahr besteht nicht durch Zugvögel, die das Geflügel infizieren können, sondern durch illegale Importe. Aber lieber ein bisschen zu früh ein bisschen zu viel machen, als zu wenig zu spät.

Können Sie Ihre Eier noch unter der Bezeichnung Bio-Eier verkaufen?

Sicher. Der Auslauf, den es jetzt nicht mehr gibt, ist ja nur ein Faktor dafür. Die Vorschriften für unsere Ställe gelten weiterhin: Es muss genug Platz geben, Sitzstangen. Und Nachruhe, während der das Licht aus ist. Bei konventioneller Haltung in Legebatterien ist das Licht immer an. Und wir verfüttern keine Wachstumsförderer oder Fischmehl. Das Problem ist, der Kundschaft zu vermitteln, dass es bei uns trotz Freilaufverbot den Hühnern jetzt nicht so geht wie in Legebatterien.

Wie reagieren die Verbraucher darauf, dass auch die Bio-Eier nun von Hühnern kommen, die im Stall bleiben müssen?

Wir von Bioland müssen uns jetzt sagen lassen: „Wenn euer Geflügel auch nicht nach draußen darf, dann ist sowieso alles eins, dann kann ich gleich Eier aus Käfighaltung kaufen.“ Dabei gibt es noch große Unterschiede, auch wenn unserer Hühner jetzt drinnen sind. Viele Verbraucher haben wohl jetzt das Gefühl: Am sichersten ist es, gar kein Geflügel mehr zu essen. Bisher haben unsere Bauern in dieser Hinsicht noch keine großen Auswirkungen bemerkt. Aber die Geflügelsaison fängt ja erst an – etwa mit dem St. Martinstag, wo traditionell Gans gegessen wird. Dann werden wir wirklich die Auswirkungen sehen.

INTERVIEW: ANNETTE LEYSSNER