Wer mit wem?

Nach den Landtagswahlen vom Sonntag geht es rund auf dem Koalitionskarussel: Wird es künftig Ampel, Schwampel oder Kenia geben?

Mehr Schock als Selbstkritik

Sachsen-Anhalt Nach dem Erfolg der AfD wächst die Sorge um das Ansehen des Bundeslands. Vorwürfe an die "lavierende" SPD bei Linken und Grünen

AfD-Kandidaten eroberten in 15 der 43 Wahlkreise ein Direktmandat

MAGDEBURG taz | Mahnwachen am Wahlabend in Halle und Magdeburg spiegelten eine ähnliche Betroffenheit, wie sie auch auf den Wahlpartys der traditionellen Parteien anzutreffen war. Im Mittelpunkt der Gespräche – etwa auf dem Magdeburger Domplatz: der Durchmarsch der AfD, der Rechtsdrive im Land.

Erst in zweiter Linie ging es um eigene Fehler und Verluste und um strategische Überlegungen zur Regierungsbildung. Auch bei Wirtschaft, Handwerk und Kirchen werden inzwischen Sorgen laut, dass sich das Ansehen von Sachsen-Anhalt weiter verschlechtert. Jetzt brauche das Land dringend eine handlungsfähige Regierung.

Wie dramatisch das Ergebnis in den Wahlkreisen ist, zeigt ein Blick auf die vielen Direktmandate, die AfD-Kandidaten gewonnen haben. Während die Partei 24,2 Prozent der Zweitstimmen holen konnte, eroberten AfD-Bewerber in 15 der 43 Wahlkreise direkt einen Sitz im Parlament.

Ein einziges Direktmandat ging in Köthen an die Linke. Die übrigen holte die CDU. Dass die Wahlbeteiligung gegenüber 2011 um fast zehn Punkte auf 61,1 Prozent gestiegen ist, lässt sich überwiegend auf die Mobilisierung von Nichtwählern durch die AfD zurückführen. Das Meinungsforschungsinstitut infratest dimap beziffert diesen Zuwachs auf etwa 100.000 Stimmen.

Von der CDU soll die AfD 38.000, von der Linken 29.000 Wähler abgezogen haben. Bei der Linken wurde am Wahl­abend diskutiert, dass schon in den vergangenen beiden Jahrzehnten ein solches bürgerlich-rechtes Protestpotenzial schlummerte, dem nur die passende Partei als Adressat fehlte.

Die NPD war und ist diesen Wählern offenbar zu extrem, sie verlor 2,7 Punkte und sackte auf 1,9 Prozent ab. Auch Die Rechte erhielt nur 0,2 Prozent der Stimmen. Unter den „sonstigen“ Parteien stellten die Freien Wähler mit 2,2 Prozent den größten Anteil, gefolgt von der Tierschutzpartei mit 1,5 Prozent.

Das läuft wohl auf eine Kenia-Koalition hinaus

Beim größten Wahlverlierer SPD hat es die Spitzenkandidatin Katrin Budde abgelehnt, zurückzutreten. Obschon sie bei ihrem ersten Auftritt vor den Genossen den Tränen nahe war, war von beginnender Gewissenserforschung noch nichts zu spüren.

Bei Linken und Grünen – potenziellen Partnern der SPD – ist immer wieder der Vorwurf zu hören, dass die Sozialdemokraten im Wahlkampf laviert und nicht klar auf eine rot-rot-grüne Alternative hingearbeitet hätten. Die grüne Landesvorsitzende Cornelia Lüddemann sorgte sich zunächst um die Frage, wie wohl eine Regierungsbildung zustande kommen sollte. Erst spätabends stand ja fest, dass ihre Partei es wieder in den Landtag schaffen würde.

Eine Koalition von Union und AfD haben der alte – und wahrscheinlich neue – CDU-Ministerpräsident Reiner Haseloff ebenso wie die AfD ausgeschlossen. Damit bleibt nur das sogenannte Kenia-Bündnis in den Farben schwarz-rot-grün als realistische Variante. Haseloff hat eine solche Absicht bereits erkennen lassen.

„Schweren Herzens“ würde die grüne Basis wahrscheinlich zustimmen, meint die Grüne Landeschefin Lüddemann. „Dann muss aber Grün auch erkennbar sein“, fügt sie hinzu.

Die sachsen-anhaltische Landesverfassung schreibt vor, dass der neue Landtag innerhalb von 30 Tagen nach der Wahl zusammentreffen muss. Der Ministerpräsident muss bereits zwei Wochen später gewählt werden. Für eine Koalitionsbildung bleibt also nur Zeit bis Ende April.

Michael Bartsch