Wenig Hitze, viel Zeit

LAMM Die Qualität des Bratens und Geduld beim Garen sind entscheidend. Ein Blick über den lokalen Osterteller lohnt sich

„Crafted Meat. Die neue Fleischkultur: Rezepte, Handwerk und Genuss“ von Hendrik Haase, die gestalten, 39,90 Euro

„NOPI – Das Kochbuch“ von Yotam Ottolenghi, Dorling Kindersley, 26,95 Euro

„Istanbul – Türkische Küche“ von Andy Harris, Dorling Kindersley, 19,95 Euro

„The New Easy“ von Donna Hay, AT Verlag, 26,95 Euro (ah)

Von Annika Hennebach

Anderthalb Stunden von Berlin entfernt wachsen die sogenannten Müritzlämmer fast ganzjährig auf Öko-Moorlandweiden auf, ohne Kraftfutterzugabe im Winter. „Die Natur kann man nicht verbessern“, erklärt Matthias Ruoff vom Müritzhof am Plauer See in Mecklenburg-Vorpommern das Konzept seines Hofs. „Aber wichtig für die Qualität des Fleisches sind neben der Haltung zwei Faktoren: der Schlachtvorgang und die Reifung.“

Würdevoll und stressfrei soll die Tötung des Tieres vor sich gehen. „Denn sobald es Angst hat und Stress erfährt, wirkt sich das auf das Fleisch aus – es wird zäh oder labberig“, sagt Matthias Ruoff. Zwölf Stunden vor dem Schlachten kommen die Müritzlämmer deshalb gleich nebenan in einem Stall zusammen – in der Gruppe beruhigen sie sich. Acht Monate sind sie bei der Schlachtung alt, obwohl sie erst mit 12 Monaten nicht mehr als Lämmer, sondern als Schafe bezeichnet werden. „Aber dann ist das Fleisch schon nicht mehr so zart“, meint Matthias Ruoff, der hingegen strikt gegen die Schlachtung von Milchlämmern ist, die etwa in Frankreich als Delikatesse gelten.

„Lämmer, die etwas älter sind als ein Jahr, sind super! Das sind dann Jungschafe, aber da finde ich den Geschmack spannend, die Geschmackstiefe!“, sagt Hendrik Haase, Food-Aktivist und Mitinhaber der Metzgerei „Kumpel & Keule“ in der Markthalle Neun in Kreuzberg. „Alle wollen es immer möglichst jung, frisch und zart, aber da schmeckt es doch auch nach fast nichts!“ Deshalb ist Haase Fan der längeren Reifung.

„Auch beim Lamm wird das gereifte Fleisch besser“, sagt Matthias Ruoff vom Müritzhof, auf dem gerade – nach der Trockenreifung am Knochen von zehn bis zwölf Tagen – das Reifen in geklärter Butter getestet wird. Normalerweise reifen die verschiedenen Teile des Lamms anschließend nass im Vakuum und kommen so bei den Kunden an – darunter sind die besten Köche in der Hauptstadt.

Einer von ihnen ist Micha Schäfer vom „Nobelhart & Schmutzig“ , der unter dem Motto „brutal lokal“ kocht. Für ihn sei es immens wichtig zu wissen, wie das Tier aufgewachsen ist, was es gegessen hat, wie alt es wurde, wie es geschlachtet wurde, sagt er. „Und so weiter.“

Mit Vanille und Erdnüssen

„Diese Nachforschungen und die Beziehung zu dem Produzenten machen jedes Stück Fleisch zu einem sehr wertvollen Produkt“, so Schäfer. Um den Charakter so wenig wie möglich zu verfälschen, wird die Lammkeule im aktuellen Menü des „Nobelhart & Schmutzig“ nur mit Rapsöl eingerieben und dann bei 90 Grad etwa eine Stunde in den Ofen geschoben. „Oder bis es eine Kerntemperatur von 60 Grad hat“, erklärt der jüngst mit einem Michelin-Stern ausgezeichnete Koch.

Matthias Ruoff und Hendrik Haase raten unbedingt dazu, ein Fleischthermometer zu benutzen, um die Kerntemperatur zu kontrollieren. „Sonst wird selbst das beste Lammfleisch trocken“, so Hendrik Haase. Und: „Mit der Ofentemperatur runter, mit der Zeit hoch!“ 100 bis 110 Grad, das reiche völlig, dann dauert es eben mal 90 Minuten oder länger. „Wie lange, kann ein guter Metzger einem immer sagen“, meint Hendrik Haase.

Im „Nobelhart & Schmutzig“ wird die Keule ganz puristisch nur noch kurz über einer ganz besonderen Kohle mit hohem Kohlenstoffanteil von einem Köhler aus Deutschland gegrillt. Matthias Ruoff und Hendrik Haase marinieren für einen klassischen Lammbraten das Fleisch vorher in Olivenöl und gemörserten Kräutern wie Rosmarin, Thymian oder Wacholder. Gern über Nacht.

„Und die Knochen unbedingt mit in den Bräter legen!“, erinnert der Müritzhof-Besitzer. „Ausgekocht ergeben sie eine ganz wunderbare Basis für die Sauce.“ Für den Lammrücken gibt er den Tipp, das Fleisch vorher auszulösen. Dafür an der Wirbelsäule entlang die Rückenteile bis auf 1,5 Zentimeter heraus schneiden. „Die beiden Fleischrollen aufklappen und in die Spalten Olivenöl, Kräuter und nur Pfeffer geben – kein Salz. Beim Fleisch noch eventuelle Sehnen entfernen, dann die Rollen wieder einklappen, mit Garn zubinden. So braucht man es nur mit einem kleinen Schnitt vor dem Servieren zu lösen.“

Der in Jerusalem aufgewachsene Koch Yotam Ottolenghi sorgt in seinen Londoner Restaurants beim Lamm mit Zutaten wie Pflaumen, Vanille oder Erdnüssen für Geschmacksexplosionen. Trockenobst und Nüsse kommen auch in der türkischen Küche ans Lamm. Die australische Köchin Donna Hay bringt das in ihren orientalisch und asiatisch inspirierten Rezepten für jeden Tag zusammen. Dabei kann es auch mal ein bisschen schneller gehen. Und das Lamm aus der Region bekommt noch einen kosmopolitischen Geschmack.