Anschläge in Brüssel

Deutschland: Die Debatte um die Sicherheit ist schon wieder voll im Gange. Aber ist ein umfassender Schutz überhaupt möglich?

"Zugangssperren helfen nicht"

TERROR Polizeigewerkschafter Holecek fordert einen besseren Informationsaustausch der Behörden. Und ein Umdenken

Rüdiger Holecek

Foto: GdP

63, ist Sprecher der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Die Gewerkschaft hat mehr als 177.000 Mitglieder und ist im DGB organisiert.

taz: Herr Holecek, die Terroristen von Brüssel haben sich sogenannte weiche Ziele wie das Empfangsgebäude eines Flughafens oder eine U-Bahn-Station ausgesucht. Kann man solche Ziele nicht besser schützen, etwa durch Eingangskontrollen, wie es sie in einigen Ländern bereits gibt?

Rüdiger Holecek: Es ist eine irrige Vorstellung, dass man sämtliche Flughafengebäude in Europa absperren und den Zutritt nur nach Zugangskontrollen erlauben könnte. Das würde hohe Kosten verursachen, die kaum jemand aufbringen möchte. Außerdem wäre der praktische Nutzen gering. Terroristen, die möglichst viele Menschen umbringen wollen, würden einfach auf andere Ziele ausweichen. Größere Menschenansammlungen gibt es in den europäischen Ballungsgebieten genug.

Warum haben die Barrieren nicht geholfen, die an den Eingängen der Brüsseler U-Bahn errichtet sind?

Niemand kann einen unerkannten Terroristen daran hindern, sich eine Fahrkarte zu kaufen und durch die U-Bahn-Sperren zu gehen.

Sind wir schutzlos den Terroristen ausgeliefert?

Nein. Es ist zwar undenkbar, dass wir vor jedem Supermarkt eine Taschenkontrolle durchführen. Aber wir können unsere Anstrengungen verstärken, mögliche Täter vor der Verübung von Anschlägen ausfindig zu machen und sie aus dem Verkehr zu ziehen. Das ist in Deutschland glücklicherweise schon mehrfach gelungen. Dafür brauchen wir aber einen besseren Informationsaustausch zwischen den Behörden in den EU-Staaten. Bedenklich ist, dass sich einer der Verdächtigen der Anschläge von Paris, Salah Abdeslam, monatelang unerkannt in Belgien aufhalten konnte.

Was halten Sie von Datenschutzbedenken?

Es geht nicht darum, neue Daten zu erheben, sondern die Daten, die zur Verfügung stehen, auch anderen mitzuteilen. Daran hapert es bislang. Ein Vorbehalt in der Bevölkerung ­gegen den starken Flüchtlingszustrom war auch, dass dadurch viele Menschen unregistriert in Europa unterwegs sind. Wir müssen dringend die Kontrolle darüber gewinnen, wer sich in ­Eu­ropa aufhält.

Braucht die Polizei mehr Kompetenzen?

Nötig ist ein Umdenken in Teilen der Gesellschaft, in denen es ein gewisses Misstrauen gegenüber den Behörden gibt. Die Haltung „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass“ funktioniert bei der Terrorabwehr nicht. Wenn wir Anschläge im Vorfeld verhindern wollen, brauchen wir auch einen besseren Zugang zu Telekommunikationsdaten von Verdächtigen. Wenn die Datenautobahn für Polizisten gesperrt ist, kann sie dort keine Täter verfolgen. Außerdem muss die Polizei wieder mehr Personal für den Einsatz in den Wohngebieten bekommen. Gerade in schwierigen Gegenden, in denen Parallelgesellschaften zu entstehen drohen, muss die Polizei mehr Präsenz zeigen und braucht Beamte vor Ort, um die Stimmung mitzubekommen und so gefährlichen Entwicklungen frühzeitig begegnen zu können.

InterviewRichard Rother